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Fortsetzungsessay von Theo Breuer
Strike, churl; hurl, cheerless wind, then; haltering hail
May’s beauty massacre and wisped wild cloud grow
Out on the giant air; tell Summer No,
Bid joy back, have at the harvest, keep Hope pale.
Gerard Manley Hopkins
Mit achtzehn Gedichten ist Gerard Manley Hopkins (1844–1889) in The Oxford Anthology of Great English Poetry, die seit Jahren Teil meiner Sammlung ist, vertreten, was allein schon zeigt, mit welcher lyrischen Größe wir es hier zu tun haben. (Zum Vergleich: Von Seamus Heaney finde ich vier, von Ted Hughes sechs Gedichte.) Dennoch nehme ich die Gedichte von Hopkins in ihrer lebendigen Originalität erst vollends wahr, als ich – just in derselben Woche, als ich Friederike Mayröckers dieses Jäckchen (nämlich) des Vogel Greif lese – Geliebtes Kind der Sprache aufschlage und mir wie der Blitz mit dem ersten, sich über zwölf Seiten hinziehenden Gedicht The Wreck of the Deutschland ein Licht aufgeht, dessen Leuchten von einer selten erlebten, in alle fühl- und wahrnehmbaren Bereiche von Kopf und Körper vordringenden Durchschlagskraft ist, daß Hören und Sehen, nein, nicht vergeht, sondern in atemberaubender Art und Weise vermehrt, verschärft, verstärkt wird, wenn Sie verstehn, was ich meine.
Friederike Mayröcker weist verschiedentlich darauf hin, daß sie Wörter kursiv setzt, damit diese beim Lesen und Vortrag in besonderer Weise hervorgehoben werden: Das Kursivgedruckte simuliere ich auf meiner Schreibmaschine, indem ich die Worte unterstreiche. Das heißt dann, dass es ganz wichtig ist und anders ausgesprochen werden muss. Wenn ich Großbuchstaben verwende, dann muß es laut gesagt, ja fast geschrieen werden.
Die ungewöhnlich wirkende Setzung von Akzenten bei Hopkins verfolgt eine ähnliche Absicht und zeigt, für sich betrachtet bereits, was für eine innovative Explosionskraft in diesem dem Wortakzent, der Silbenbetonung und der Satzmelodie, diesen Grundpfeilern der Prosodie, so viel Gewicht einräumenden Gedicht steckt. Bild, Erlebnis, Gedanke, Idee, Vorstellung: Alles wird direkt durch (neologistisches) Wort und (idiosynkratische) Kollokation und (kongenialen) Rhythmus vermittelt – alles.
The Wreck of the Deutschland ist, wie mehr oder weniger jedes der folgenden Gedichte, ein einziger allegorischer, alliterativer, antithetischer, assonanter, bilddurchtränkter, binnen-/ketten-/endreimender, latent erotischer, hyperbolischer, lautmalender, paronomistischer, worthäufender, religiös behauchter, Gott lobender, mit dem Lebensschicksal hadernder englischer Wortwirbel, in dem eine Wortwelle über die nächste und nächste und nächste hereinbricht, der mir nichts ermöglicht, als mich diesen suggestiven Kaskaden hinzugeben, mitreißen zu lassen im Strom der zwischen himmelhochjauchzend und zutodebetrübt changierenden Wörter, Wörter, Wörter, deren avantgardistische Bedeutsamkeit erst lange nach seinem Tod öffentlich gemacht wurde – zu Lebzeiten wurde kein Gedicht publiziert.
Ich empfinde bei diesem Tanz durch total musikalische, naht- und immer wieder punktlos ineinander verschlungene Verse mit zahllosen Allusionen, Assoziationen, Bedeutungsebenen und -wendungen, Echos, Chiffrierungen usw. eine bemerkenswerte Verwandtschaft zur poésie pure eines Stéphane Mallarmé, dessen Zeitgenosse Hopkins war (ohne von ihm zu ahnen). Auf frappante Weise wird mit diesem in der Edition Rugerup erschienenen 299seitigen Buch (das, zweisprachig, mit ausführlichen Anmerkungen zu den einzelnen Gedichten sowie in die Tiefe gehenden Aufsätzen der einfühlsamen Übersetzerin und exzellenten Fachfrau Dorothea Grünzweig – Hopkins ist unübersetzbar – ediert, eine grandiose verlegerische Leistung der in Südschweden lebenden Margitt Lehbert darstellt) auch der Bogen zur zeitgenössischen, ebenfalls extrem verdichteten, permanent pulsierenden Lyrik einer Friederike Mayröcker (die gelenkige Sprache das Englische) geschlagen.
Hier geht das Intermezzo der miteinander tanzenden Sprachen weiter:
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