Kategorie: Frankreich

Das Gedächtnis und die Hand

Edmond Jabès  (* 14. April 1912 in Kairo; † 2. Januar 1991 in Paris) Mit beiden Händen IV Der liebkoste Leib läßt die Hand erblühn. Der Faust fehlt die Kosung; fehlt auch die Feder. – Die Feder lockert die Hand. Die Hand öffnet sich der… Continue Reading „Das Gedächtnis und die Hand“

Es ist verboten nicht zu träumen

Zum 120. Geburtstag des französischen Schriftstellers Raymond Queneau, der vor allem als Oulipot bekannt wurde (Stilübungen; Zazie in der Metro; Hunderttausend Milliarden Gedichte) ein Auszug aus seinem surrealistischen Frühwerk. Raymond Queneau  (* 21. Februar 1903 in Le Havre; † 25. Oktober 1976 in Neuilly-sur-Seine bei… Continue Reading „Es ist verboten nicht zu träumen“

Berthas Augen

Charles-Pierre Baudelaire (* 9. April 1821 in Paris; † 31. August 1867 ebenda) Berthas Augen Den herrlichsten Augen seid ihr überlegen, Ihr Augen meines Kindes, süß wie die Nacht Entströmt euch der Güte milder Segen, Ihr Augen, schenkt zaubrischen Dunkels Macht! Ihr Augen, Geheimnisse, die ich verehre, Ihr seid… Continue Reading „Berthas Augen“

Willem hält sich nicht mehr zurück

Beim Blättern in einer Anthologie stieß ich auf ein kurzes Gedicht, aber es machte stutzig. Es war offensichtlich nur der Anfang eines Gedichts. Es waren provenzalische Trobadorlieder, der Verfasser, Guillem Anelier, lebte im 13. Jahrhundert in Toulouse. Er nennt gleich am Anfang die Gattung… Continue Reading „Willem hält sich nicht mehr zurück“

und revolutionen sind nicht mehr möglich

Henri Chopin  (* 18. Juni 1922 bei Paris; † 3. Januar 2008 in Dereham, Norfolk)  Heute vor 15 Jahren starb der französisch-britische visuelle und Klangkünstler Henri Chopin („poésie sonore“). Hier ein Schreibmaschinenpoem. Chronique, Page 7, 1974Originalmanuskriptseite aus: Collection OU, Nr. 5, Tinte und Letraset auf Papier Rohübersetzung des französischen Texts (Annäherung, da der… Continue Reading „und revolutionen sind nicht mehr möglich“

Laure (1903-1938)

Colette Peignot  (* 6. Oktober 1903 in Meudon; † 7. November 1938 in Saint-Germain-en-Laye) Die französische Schriftstellerin veröffentlichte überwiegend unter dem Pseudonym Laure, unter dem auch die deutsche Ausgabe bei Matthes & Seitz erschien. Aus dem gegenwärtigen und unsichtbaren Fenster sah ich alle meine Freunde, wie sie mein Leben in Fetzen… Continue Reading „Laure (1903-1938)“

Wie sich die Zeit verzweigt

Paul Celan (geboren am 23. November 1920 in Czernowitz, damals Rumänien, heute Ukraine; gestorben vermutlich am 20. April 1970 in Paris) Wie sich die Zeit verzweigt, das weiß die Welt nicht mehr. Wo sie den Sommer geigt, vereist ein Meer. Woraus die Herzen sind, weiß die Vergessenheit. In Truhe, Schrein… Continue Reading „Wie sich die Zeit verzweigt“

Erinnerung

Marceline Desbordes-Valmore  (* 20. Juni 1786  in Douai; † 23. Juli 1859 in Paris) Erinnerung. Als eines Abends plötzlich er erblaßte, Als seine Stimme unverhofft verstummte Im halbgesproch’nen Wort, als seine Augen So brennend heiß, mich schwer verwundeten Mit Leiden, die ihm eigen, wie ich wähnte – Als seine Züge von… Continue Reading „Erinnerung“

Der dreißigjährige Dichter

Jean Cocteau  (* 5. Juli 1889 in Maisons-Laffitte bei Paris; † 11. Oktober 1963 in Milly-la-Forêt bei Paris) DER DREISSIGJÄHRIGE DICHTER Nun habe ich erreicht die Mitte meiner Jahre, Auf meinem schönen Haus sitz rittlings ich und reit; Dasselbe Land ist’s, das ich beiderseits gewahre, Doch, die’s bedeckt, ist nicht dieselbe Jahreszeit. Hier ruht der… Continue Reading „Der dreißigjährige Dichter“

Henri Chopin 100

Henri Chopin  (* 18. Juni 1922, heute vor 100 Jahren, in Paris; † 3. Januar 2008 in Dereham, Norfolk)  Seite aus der Notation des Soundpoems sol air (1964). Was wie elektronische Musik klingt (Audio unten), wurde ausschließlich mit der Stimme des Autors auf Magnettonband erzeugt.… Continue Reading „Henri Chopin 100“

Über Haltung und Versgrammatik (4)

L&Poe Journal #02 Essay Essay von Bertram Reinecke (Vierte und letzte Folge) Montieren: alte Verse vs. neue Verse Textanfang und -ende am Beispiel Familien-Werte Montieren: alte Verse vs. neue Verse Wenn es einerseits schwieriger scheint, in alten Strophenformen zu bauen, weil Reim und Rhythmus… Continue Reading „Über Haltung und Versgrammatik (4)“

Versbau und Beliebigkeit

L&Poe Journal #02 Essay Essay von Bertram Reinecke (Dritte Folge) Versbau und Beliebigkeit Verskollaboration organisieren – Einzelfälle Über Haltung und Versgrammatik (3) Versbau und Beliebigkeit Arbeite ich mit Zeilen lebender DichterInnen[1], reagieren diese manchmal mit Freude, manchmal mit Neugier oft aber auch mit Verunsicherung.… Continue Reading „Versbau und Beliebigkeit“

Stanze

Jean Moréas  (* 15. April 1856 in Athen; † 30. April 1910 in Paris) Stanze Sagt nicht: das Leben ist ein Festgelage; So spricht die Torheit wohl und ein gemeiner Sinn. Doch sagt nur ja nicht: es ist grenzenlose Plage; Dies zeugt von schlechtem Mut, dem alle Kräfte fliehn. Lacht, wie die… Continue Reading „Stanze“

Bei der Lektüre eines französischen Textes

L&Poe Journal #02 Essay Essay von Bertram Reinecke (Zweite Folge) Bei der Lektüre eines französischen Textes Beim Lesen eines spätstalinistischen Dichters Über Haltung und Versgrammatik (2) Bei der Lektüre eines französischen Textes Besonders deutlich wird mir die umschriebene Farbenblindheit wenn ich beobachte, wie nahezu… Continue Reading „Bei der Lektüre eines französischen Textes“

Unmut

Peire Cardinal, Troubadour, geb. um 1150 in Le Puy, gest., fast hundertjährig, vor 1250, besaß in seiner Vaterstadt eine Pfründe und zog viel umher. Er war der Meister des moralischen Sirventes. Seine Gedichte (zusammen gegen 70) sind meist gegen den Klerus und den hohen Adel… Continue Reading „Unmut“