Kategorie: Tschechisch

Weihnachten

Das Pferd hat leise einen weissen Luftstrauch ausgehaucht,
einen echten milchig weissen Kieselstein mit Adern
Ivan Blatný

Miroslav Holub 100

sie löste sich auf,
die schwarze Katze in der schwarzen Nacht,
so löste sie sich auf –
und niemand hat sie je wieder gesehen.
Auch sie selbst sich nicht.
#MiroslavHolub #otd

DOBROVSKÝS TOD

Damals im Winter
als er bei uns in Brünn im Sterben lag
erblühten rings um die Stadt die Maiglöckchen
bevor der erste Schnee fiel
#JanSkácel

Erde

und ich liebe dich nach deinem Willen:
sehend, fühlend, atmend und mit Sinnenlust.
#StanislavKostkaNeumann #otd #heute

Blies wer Oboe

Blies wer Oboe, blies nun schon seit Tagen, blies
zu Abend immer und das gleiche weiche Lied,
und nicht einmal ein Licht, kein Licht sein Ufer wies,
weil jedes Feuer, heißts, hier fortschwimmt und verglüht.
#KarelHlaváček 

Beobachtungsgabe

Jitka N. Srbová Beobachtungsgabe Am besten können es Kinder: der Zug ist blau, die Frau ist dick, die Luft surrt wie aufgehäufter Schotter – Menschen auf Decken und Menschen auf Sitzen scannen sich gegenseitig. Am beschrankten Übergang hat der Fahrer einen zwischen die Kiefer… Continue Reading „Beobachtungsgabe“

War ich? War ich nicht?

Ivan Sviták  (10. Oktober 1925 in Hranice na Moravě – 20. Oktober 1994 in Prag) Die Erkennbarkeit der Welt Wo ich war dort war ich nicht Ich war also dort wo ich nicht war Oder war ich dort wo ich war? War ich? War ich… Continue Reading „War ich? War ich nicht?“

Kriegsszene

Petr Křička (* 4. Dezember 1884 in Kelč; † 25. Juli 1949 in Okarec, heute Ortsteil von Třebíč) Medynia Głogowska Über den Kopf die erste, die zweite pfiffen, fliegen viel dichter schon. Tiefer geduckt, im ängstlichen Spott noch begriffen, bieten die Burschen Willkomm. Fünferhaubitzen, da sind sie herangaloppiert, Herrgott, dein Wille geschehe!… Continue Reading „Kriegsszene“

Bedenke

Marie Šťastná xxx Bedenke jede Landschaft beginnt und endet auf deinem Unterarm Eine feine furchige Geheimsprache unter der Haut Abdruck des Waldes der Straße des Gedächtnisses Aber was wenn man von dir etwas weiß etwas so Unglaubliches dass selbst du nur Andeutungen kennst die… Continue Reading „Bedenke“

Is the new

Olga Stehlíková Is the new Alt ist das neue jung Single ist das neue verheiratet Vegan ist das neue vegetarisch Remoska ist die neue Mikrowelle Neomarxismus ist der neue Marxismus Mama ist die neue Oma Hipster ist der neue Dandy DIY ist das neue… Continue Reading „Is the new“

Warum Bäume nicht fliegen

Jiří Kolář  (* 24. September 1914 in Protivín; † 11. August 2002 in Prag) WürdenfliegensieEierBäumekönnteMöbelwäreneßbaricheinausSchrankausgebrateneaufFurnierEssigdrucktedieauferschieneZeitungeinemschriebemitPeitschedenschriebemitPeitschedenführenLeutederführenLeutedergingeendlichLebendigees BäumelegtenauchlegtenEiermanessenMöbelmachtemirRippcheneinemSalatStühlenHobelspäneSägmehlmitundmanZeitungBeefsteakdieaufBeefsteakmanderaufRückenmanderaufRückendieausHautdieausHautesinsgingeendlich Aus dem Tschechischen von Konrad Balder Schäuffelen und Tamara Kafková. Aus: Jiří Kolář, Das sprechende Bild. Poeme – Collagen – Poeme. Mit einem Nachwort von Konrad Balder Schäuffelen. Frankfurt/Main: Suhrkamp, 1971, S. 63f

Wer zu einer Geige passt

Jan Skácel  (* 7. Februar 1922 in Vnorovy; † 7. November 1989 in Brünn)  WER ZU EINER GEIGE PASST Hab keine Angst vor nichts hab Angst und wär’s auch noch so kraß denn immer findet sich ein Mensch der gut zu einer Geige paßt In dieser Welt gibt’s schöne Zeiten auch üble… Continue Reading „Wer zu einer Geige passt“

Gelbe Blumen

Antonín Sova  (* 26. Februar 1864 in Pacov (Patzau); † 16. August 1928 ebenda) Gelbe Blumen Todesäcker gelb verglimmen, Land voll dunkler Saiten Stimmen. Brach die Blüte wer zur Stund, preßt’ sie auf den Fiebermund. Hocken Greise noch am Rain, schlucken sachte ihren Wein, gleitet Mond von ihren Haaren, welker, schlaffer… Continue Reading „Gelbe Blumen“

Die stalinistische Epoche

Zbyněk Havlíček (22. Mai 1922 in Jilemnice, heute vor 100 Jahren – 7. Januar 1969 in Prag), tschechischer Dichter, Literaturtheoretiker, Psychoanalytiker und Übersetzer Die stalinistische Epoche »Ich weiß sehr wohl, daß solch intime Prozesse auf einen hinzustoßenden Herrn, der zuschaut beziehungsweise assistiert, äußerst bezaubernd… Continue Reading „Die stalinistische Epoche“

Prolog

Viktor Dyk (* 31. Dezember 1877 in Pšovka bei Mělník; † 14. Mai 1931 auf der Adriainsel Lopud, Jugoslawien) Prolog Sohn einer finstren Generation war ich, die mit sich und der Welt entzweit. Irgendein Vers berichtet noch davon: „Nur einen Tag des Glücks kennt… Continue Reading „Prolog“