Das Archiv der Lyriknachrichten | Seit 2001 | News that stays news
Veröffentlicht am 7. Juli 2017 von lyrikzeitung
Liebe L&Poe-Leserinnen und -Leser,
seit Ende 2000 gibt es die Lyrikzeitung, 15 Jahre als Tages-, jetzt als Wochenzeitung. Jeden Freitag neu mit Nachrichten aus der Welt der Poesie. Poetry is news that stays news, sagt Pound. In der heutigen Ausgabe: Thomas Havlik. Hansjörg Zauner und Pierre Henry †. Noch ein-, zwei-, viermal Jan Wagner. Angelika Janz, BAADER Holst, Genschel und Cotten, Dorothy Parker – und manches andere. Lesen!
Die Themen in dieser Ausgabe
G&GN-INSTITUT, 3.Offlyrikfestival 7.7.2017 / Der Programmablauf des „wichtigsten Lyrikfestivals des Jahres“ (Twitter-Zitat KUNO Matthias Hagedorn) im Düsseldorfer HdU (Haus der Universität) gleicht einem Marathon; denn die 9 Performer treten in zwei Durchläufen ohne große Pause auf, damit die Veranstaltung pünktlich um 23 Uhr beendet ist. Daher beginnt der Einlass bereits um 16 Uhr, so daß der Moderator Herr De Toys das Festival um exakt 17 Uhr mit den üblichen Danksagungen eröffnen kann. Die Lyrikzeitung gehört zu den Medienpartnern und präsentiert seit 30.6. von allen Beteiligten ein Beispielgedicht in der Reihenfolge ihres Auftretens (Programmablauf mit verlinkten Kurzbiographien siehe www.Lyrikmarathon.de):
Heute: 08. Thomas Havlik (heute abend 19:25 + 22:25 zu hören!):
Tarnanzug Frucht. Es tauen die Körper, es korken
Aus den Hälsen die Pfropfen. 30 Milliarden Silben
Stürmen die Blüten. Sie stürmen die Blüten, schütteln
Den Stengel, saufen das Licht: ihre Halbleiterkristalle
Flimmern im Glimmstock. Jede der 30 Milliarden Silben
Hat rote hervortretende Augen und nur eines im Kopf
Wieviele Zikaden sind notwendig, wieviele Ichs
Um das Schnalzen der gerissenen Sehne zu übertönen
Welcher Akt. Für das Honorar, das mir dieses Gedicht
Einbringt, werde ich mir ein weiteres Gedicht zulegen
Anfang April. Pyramidenspiel. Pollenallergie. Im Aussichts
Nest hockt der Maikäfer und beflegelt das Tamagochi-Kind
Beiderseits entlang der Donauufer zieht man den Einsatz von
Chemikalien in Erwägung: meine Stechkollegen verharren
Zauner hat mehr als 20 Bücher auf den Markt gebracht, zuletzt (2016) erschien im Ritter Verlag der Gedichtband “99.144 gedichtnasenlöcher schießen auf mich bis alles passt”. Der Verlag bezeichnete Zauner als “Dichter von staunenswerter Konsequenz, der sich auf einige wenige sprachmanipulative Verfahren konzentriert, die er in stets neuen Facetten und auf exzessive Weise anwendet”. Das Markenzeichen seiner Kunst sei “das Auf-die-Spitze-Treiben komplexer Wortzusammensetzungen, die nach dem Maßstab herkömmlicher Semantik aberwitzig erscheinen”. / vol.at
In Zauners magischer Trommel fand das „oleanderblütenfeigeneis“ scheinbar mühelos mit dem „wedelmopedblitzflugleoparden“ zusammen. In diesem Zauberreich der Poesie war jede Aussage recht – sofern sie nur unerhört war und alltagsnahes Wortmaterial zu ungemein suggestiven Skulpturen verknetete. Zauner, der Autodidakt aus einfachen Verhältnissen, gebot nicht unbedingt über eine Sprachtheorie, mit der er sein Tun hätte begründen können. Gewiss, er entstammte der ungefähr dritten Generation der experimentellen Literatur in Österreich. Er gehörte damit zum Pulk jener Einzelgänger, die die Erkenntnisse der Wiener Gruppe als Voraussetzung für eigene Sondierungen im Sprachland benutzten. – / Ronald Pohl, Der Standard
Bei den Hippies war das Private politisch und umgekehrt. Emotionalität durch Poesie zu vermitteln, ist für Angelika Janz die eine Sache, der emanzipatorische Umgang mit Gefühlen die andere. An der Schnittstelle der Unschärfe produziert diese Autorin gebrochene Symmetrien von Schritten zwischen Geist und Ding. Sie ist immer die langen Wege gegangen, der Titel Fern, fern für ihre Prosa-Reihe auf KUNO stammt noch aus analoger Zeit (eine Echolot in die untergehende DDR). Es ist eine Weltwahrnehmung mit Tiefenschärfe. Janz ist eine Künstlerin der Anverwandlung, mit fein gebauten Sätzen fängt sie etwas von der Erinnerungswelt ein, von den Rissen und von den Wahrnehmungsdetails dieser Sphäre. Es ist bei näherem Hinsehen und genauem Lesen Internet-Literatur im besten Sinne. Janz schöpft aus Repetition eine subtile Funkiness, es ist hypnotische Poesie. Sie hat das Unnötige weggelassen und sich auf das beschränkt, was für die Poesie am wichtigsten war. Die Wiederholungen mit den feinen Nuancen und Variationen, das war das, was von den Lesern vielleicht gar nicht wahrgenommen wird, aber das Besondere an dieser Sprache sind Feinheiten, die nicht nur in den technischen Fertigkeiten ihren Grund haben, sondern auch von dichterischen Format zeugen. Brüchigkeit ist hier Strategie. Niemand soll sich hier in den Worten verlieren, aus Misstrauen gegen zu einfache Immersion, aber auch aus Notwendigkeit: Für die komplexe Argumentation, die diese Reihe verfolgt, braucht man Konzentration. Das Experimentelle, das Durchdachte, bei ihr ist diese Gemengelage nie zu ausufernd. / Matthias Hagedorn, Kuno
schreibt die Neue Zürcher:
Wie gewohnt sprudelten im Alten Bahnhof unter Aufsicht des trocken rockenden Raphael Urweider die lyrischen Quellen, wobei man mit dem Ukrainer Serhij Zhadan, dem Mazedonier Nikola Madzirov und dem Sino-Amerikaner Jeffrey Lang sowie Anja Kampmann zwischen sphärischer Naturbetrachtung, historischer Spurensuche und politischer Zeitdiagnose aus dem Vollen und Tiefen schöpfen konnte.
Wo am diesjährigen Literaturfestival ein richtiger Superstar fehlte (…), sorgten zwei hochkarätig besetzte Podien über Populismus für aufschäumendes Interesse. Leider blieb das Thema mit Robert Menasse, David Van Reybrouck, Bernd Stegemann, Jonas Lüscher und Lukas Bärfuss alleine Männerhirnen vorbehalten. (Andreas Breitenstein)
Pierre Henry, ein Wegbereiter der elektroakustischen Musik, ist tot. Der französische Komponist starb in der Nacht zum Donnerstag im Alter von 89 Jahren in Paris, wie die französische Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf seine Assistentin meldete.
Henry gilt als ein Pionier der „musique concrète“ (konkreter Musik), die aus Kompositionen vorab aufgenommener Klänge besteht und dabei auch Alltags-Geräusche verwendet. Öfters wurde er auch neben Karlheinz Stockhausen als „Großvater des Techno“ bezeichnet. / spiegel.de
Der vom Deutschen Literaturfonds vergebene Kranichsteiner Literaturpreis geht in diesem Jahr an Nico Bleutge. Der 1972 in München geborene Lyriker lebt heute in Berlin. In der Begründung der Jury, der Maike Albath, Wilfried F. Schoeller und Christine Wahl angehören, heißt es:
Nico Bleutge erhält den mit 20 000 Euro dotierten Kranichsteiner Literaturpreis 2017 für sein bisher vier Bände umfassendes lyrisches Werk unter besonderem Augenmerk auf die neueste Sammlung nachts leuchten die Schiffe. Bleutge versteht sich auf eine poetische Erkundung vornehmlich von Licht und Wasser, auf die Verwandlung poetischer Romantik ins Gebrauchsformat von Industriezonen, Stückverkehr und Transportmonstern. Das Wetterleuchten auf globalen Wegen mischt sich mit Seelenechos aus der Kindheit, das Zitatgemurmel fremder Stimmen mit eindrücklichen eigenen Bildern. Nico Bleutge arbeitet an einer poetischen Übung im Lauschen und Memorieren, an einer modernen Erfahrungsseelenkunde, die sich auch der Technik und dem Gestaltwandel der sprachlichen Bilder öffnet.„
Für den Kranichsteiner Literaturförderpreis nominierte die diesjährige Jury Teresia Enzensberger, Maren Kames und Simon Strauß. Alle drei Kandidaten werden sich am 17. November um 11:30 Uhr in einer öffentlichen Lesung in der Justus-Liebig-Schule in Darmstadt um den mit 5.000 Euro dotierten Preis der Fachjury bewerben. Mit ihren jeweils noch unveröffentlichten Textauszügen stellen sie sich gleichzeitig dem Urteil einer Schülerjury. Diese vergibt, unabhängig von der Entscheidung der Fachjury, einen Preis in Höhe von 1.000 Euro.
Die Jury hat weiterhin zwei Aufenthaltsstipendien des Deutschen Literaturfonds vergeben:
Das 10-wöchige Aufenthaltsstipendium im Deutschen Haus der New York University erhält in diesem Jahr der in Eberstalzell (Österreich) lebende Autor Reinhard Kaiser-Mühlecker.
Das ebenfalls 10-wöchige London-Stipendium an der Queen Mary University sprach die Jury Karl-Heinz-Ott zu, der in Wittnau lebt.
Alle Preise werden am 17. November um 19 Uhr in Darmstadt überreicht.
Das PEN-Zentrum Deutschland schreibt den Kurt Sigel-Lyrikpreis 2018 aus. Er wird an eine/n Lyriker/in für Gedichte von hoher ästhetischer Qualität verliehen und ist mit € 4.000 dotiert. Stifter des Preises ist der Frankfurter Schriftsteller Kurt Sigel, der sich als Autor von Romanen, Erzählungen, Gedichtbänden sowie von Büchern in hessischer Mundart, die er teilweise mit eigenen Zeichnungen und Cartoons illustrierte, einen Namen gemacht hat. Kurt Sigel ist seit 1974 Mitglied im deutschen PEN.
Einsendeschluss für den Kurt Sigel-Lyrikpreis 2018 ist der 1. Oktober 2017. Die Ausschreibungsbedingungen finden sich auf der Homepage des PEN unter www.pen-deutschland.de. Hierzu gehört als Voraussetzung, einen eigenständigen Gedichtband in einem Verlag veröffentlicht zu haben, der von den Autoren keine Kostenzuschüsse verlangt.
Der Kurt Sigel-Lyrikpreis wurde 2016 im Rahmen der PEN-Jahrestagung in Bamberg erstmals an den Lyriker Daniel Falb verliehen. Er wird alle zwei Jahre ausgeschrieben.
Zum Büchnerpreis für Jan Wagner schreibt Beate Tröger im Freitag, Zitat:
In dieser starken Gewichtung der Form und des Handwerklichen liegt eine gewisse Provokation, die Kritiker auf den Plan ruft, auch im Zusammenhang mit der Akademie-Entscheidung: Die Verse scheinen auf den ersten Blick kein Sand im Getriebe zu sein, stattdessen den Staub von den Phänomenen wegzuwischen, was manchen zu der reichlich hochgegriffenen Aussage verleitet hat, die Gedichte brächten einen dazu, die Dinge wie zum ersten Mal zu sehen. Wagners Gedichte taugen in ihrer subtilen Befremdlichkeit wenig als Stellvertreter einer deutschsprachigen Gegenwartslyrik, die mit Monika Rinck, Ann Cotten, Oswald Egger oder Steffen Popp, aber auch mit dem im vergangenen Jahr ausgezeichneten Marcel Beyer viel offener befremdlichere, experimentellere, avantgardistischere Spielarten kennt.
Sein Werk zu würdigen, ist eine Entscheidung, die dem fantasievollen Sprachvirtuosen Georg Büchner, mit dem Wagner die unleserliche Handschrift, die „Sauklaue“ teilt, eher gerecht wird, als Büchners umstürzlerischen Intentionen und seiner Art, die Form zu überschreiten, man denke nur an Dantons Tod oder Woyzeck. Man könnte die Entscheidung eskapistisch finden, wollte man damit über „deutschsprachige Gegenwartslyrik“ schlechthin befinden, doch sollte man nicht unterschätzen, welche Kraft entsteht, wenn jemand die Form genauestens im Blick behält, indem er sich anschickt, sie zu überschreiten, ihren Zwang beleuchtet und befragt, wenn er die Unheimlichkeit des Vertrauten so virtuos durchdekliniert und von innen heraus annagt.
Die Leichtigkeit seiner [Jan Wagners] Gedichte steht in einem umgekehrten Verhältnis zum Gewicht der Ehrungen, die der 45 Jahre alte Hamburger bisher bekommen hat. Der Preis der Leipziger Buchmesse für den Band «Regentonnenvariationen» war es vor zwei Jahren. Was folgte, war sogar ein Platz auf der «Spiegel»-Bestsellerliste. Das kommt bei einem Lyrikbuch nicht oft vor und wurde da und dort zum Anlass genommen, gleich von einem Boom der Poesie zu sprechen. Es könnte sich dabei um ein Missverständnis handeln, denn ein Boom wäre es erst dann, wenn die gesamte Varianzbreite der Lyrik von der solcherart generierten Aufmerksamkeit profitieren würde.
(…) Der Rest ist Statistik: Zum zweiten Mal hintereinander hat (nach Marcel Beyer) ein Lyriker den Büchner-Preis bekommen, zum achten Mal in den letzten zehn Jahren war es keine Schriftstellerin. Und mit Hanser, wo Wagner erscheint, bleiben die grossen Verlage in den heiligsten Hallen der deutschen Literatur weiter unter sich. / Paul Jandl, Neue Zürcher Zeitung
Seit 1951 wurde der Preis 66 Mal vergeben. Jahrgang 4 – 13 – 29 – 45 – 47 – 50 – 54 – 61 – 62 gingen an Frauen, 9 von 66 = 13,64%. Christa Wolf und Sarah Kirsch folgten auf jeweils 15 Männer, dann begann der Motor zu stocken, ich stelle es grafisch dar in einer Reihe, in der nur die Namen der Frauen ausgeschrieben werden, M steht für einen männlichen Peisträger:
Bachmann MMMMMMMMMMMMMMM Wolf MMMMMMMMMMMMMMM Kirsch M Jelinek MM Mayröcker MMM Kronauer MMMMMM Hoppe Lewitscharoff MMMM.................................
Der Preis wird von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung vergeben. Sie verzeichnet seit ihrer Gründung 13 Präsidenten und 8 Ehrenpräsidenten. Alle 21 Präsidialen waren Männer. Die Akademie hatte im Jahr 2015 190 Mitglieder. Die Mitgliederliste einschließlich der toten Akademiker umfaßt 560 Namen, darunter sind 71 Frauen oder 12,68%. Demnach liegt der Frauenanteil an den Preisträgern geringfügig über dem Anteil von Frauen am Personalbestand der Akademie.
Die Akademie wird von einem Präsidium geleitet, das aus dem Präsidenten und zwei bis drei Vizepräsidenten besteht. Hinzu kommen bis zu sechs Beisitzer (erweitertes Präsidium). Das engere Präsidium besteht derzeit zu 100 % aus Männern, unter den sechs Beisitzern sind aber drei Frauen.
Das Präsidium wird von den Mitgliedern auf drei Jahre gewählt; es führt die Geschäfte und vertritt die Akademie; zugleich bildet es die Jury für den Georg-Büchner-Preis (unter Mitwirkung je eines Vertreters/einer Vertreterin der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst und des Magistrats der Stadt Darmstadt). (Ob die Beisitzer für die Jury hinzugezogen werden?).
Zwischen 1993 und 2014 war jeweils eine Frau unter den Vizepräsidenten, in dieser Reihenfolge: Elisabeth Borchers, Ilma Rakusa, Nike Wagner. In diesen 22 Jahren wurden 6 Frauen mit dem Büchnerpreis ausgezeichnet. In den übrigen 44 Jahren schafften es nur drei Frauen: Kaschnitz 1955, Bachmann 1964 und Wolf (Christa) 1980. Der Fortschritt ist eine Schnecke – strittig ist, ob damit die Schleimspur oder das spiralige Gehäuse gemeint ist.
Der Altersdurchschnitt des engeren Präsidiums beträgt zum heutigen Tag, gerechnet nach vollendetem Lebensjahr, 57 + 57 + 71 + 58 = 61 Jahre.
Der Altersdurchschnitt der letzten zwanzig Preisträger im Jahr ihrer Auszeichnung beträgt – ebenfalls 61 Jahre*. Die Jury zeichnet im Schnitt ihre Generationsgefährten aus: genauer gesagt weiße** Männer um 61, die bei den vier großen Verlagen erscheinen.***
*) Die beiden letzten Preisträger allein senken den Altersdurchschnitt um ganze zwei Jahre.
**) Wie die Farbe Weiß ins Spiel kommt? Nun: unter den Preisträgern war noch nie ein Autor nicht deutscher Herkunft. Dabei gab es unter den aus anderen Sprachzonen Zugezogenen etliche sehr respektierliche, ich nenne ein paar: Cyrus Atabay, Rafik Schami, SAID, Yoko Tawada, Galsan Tschinag, Ilma Rakusa, Feridun Zaimoglu… (Sie alle bekamen den eigens für sie geschaffenen Chamissopreis).
***) Ein wenig Verlagsstatistik. (In dieser Statistik wird nur das Hauptwerk oder die Bände der letzten Jahre berücksichtigt.) Das Werk der Büchnerpreisträger erscheint
Hier sollen einige Autoren behandelt werden, deren Arbeit Dada-Sedimente aufweist: Mara Genschel, Ann Cotten und Oswald Egger.
Ganz besonders deutlich wird diese Linie bei Mara Genschel (*1982). Auch wenn die meisten ihrer Projekte irgendeinen Bezug zur Literatur aufweisen, sind sie dennoch offen und anschlussfähig für verschiedenste Disziplinen und Zugriffsweisen. Beredtes Zeugnis dessen ist ihre Webseite, aktuelle und vergangene Projekte sind hier in einem hermetischgnomischen Humor präsentiert, »Neue Grenze für Schimmelbildung im Siegener Schrift/Bild« etwa kündigt an, dass eine Ausstellung, an der Genschel mit Textcollagen beteiligt ist, verlängert wird. »Über königlich geformte Sanitärkeramik« ist ein Beitrag, der auf eine Radiosendung im SWR hinweist: Neue Musik und Sentimentalität, von oder über Genschel?
(…) Auf Wellness legt Mara Genschel es ersichtlich nicht an. So scheut sie nicht davor zurück, das Publikum bei öffentlichen Veranstaltungen durch gekonnte Reserven zu irritieren oder gar zu brüskieren.
(…)
Auch bei Ann Cotten, wie Genschel 1982 geboren, lassen sich solche Relativierungen finden, als integraler Bestandteil der Textproduktion – obwohl man nicht sagen kann, dass Cotten als Suhrkamp-Autorin sich wie Genschel dem Betrieb entzöge. Jedoch, auch Cotten schafft sich beharrlich ihre Freiräume. Keine ihrer bisherigen Buchveröffentlichungen lässt sich bruchlos als konventioneller Gedicht- oder Prosaband auffassen, immer sind spezifische Treibriemen angebracht, welche die Texte elegant dislozieren.
/ Zitate aus: Enno Stahl, Neo Neo Dada. Zeitgenössische Dada-Rezeption bei Mara Genschel, Ann Cotten und Oswald Egger. In: Hugo-Ball-Almanach. Folge 8
Zum Tod des Dichters „Matthias“ Baader-Holst am 30. Juni 1990 schreibt Ina Kutulas:
Es wäre womöglich schade, aus welchen Gründen auch immer zu spät zu sein, am 7. Oktober 2017 handlungs-, aktionsunfähig, nicht reagieren könnend mit Text, Inszenierung, bewusstem Schweigen oder andersartig auf die von Baader in die Welt gesetzte Bitterfelder Inspiration. In „boheme und diktatur in der ddr“ ist seine Aktion beschrieben:
„In einer Szene steht BAADER grinsend vor einem Denkmal in Bitterfeld. Erbaut von einem übereifrigen Deutsch-Lehrer, irgendwann in den 60er Jahren, der seinen Schüler aufgibt, „Briefe an die Jugend des Jahres 2017“ zu schreiben, die er dann in einer Kassette in die Betonmauer einläßt. „Erst zu öffnen im Jahr 2017, dem 100. Jahrestag der Oktoberrevolution“, verheißt eine kupfergetriebene Plakette. Ein riskantes Verfallsdatum, das Holst zu einer Performance inspiriert. In der Messingschale des Denkmals entzündet er ein kleines Feuer. Mit großen Gesten deklamiert der Untergrund-Poet im Flammenschein seine Verse. Entrückt, einsam, einzig. Ein dadaistischer Olympionik, ein hakenschlagendes Opferlamm.“
Jetzt ist Dorothy Parker noch einmal neu zu entdecken: als Lyrikerin. Wie umfangreich ihr lyrisches Werk ist, zeigt der Band Denn mein Herz ist frisch gebrochen. Er versammelt sämtliche zu Parkers Lebzeiten in Buchform erschienenen Gedichte im Original – und in der Übersetzung von Ulrich Blumenbach. Ihre ersten drei Lyrik-Bände Enough Rope von 1926, Sunset Gun (1928) und Death and Taxes (1931) waren bei ihrem Erscheinen in der Kritik und in den Buchläden ein Renner. / Beate Tröger in einer Besprechung im Freitag
Denn mein Herz ist frisch gebrochen (Englisch /Deutsch) Dorothy Parker, Ulrich Blumenbach (Übers.), Dörlemann 2017, 400 S., 34 €
Ledbury Poetry Festival (30. Juni bis 9. Juli) – Großbritanniens größtes Poesiefestival findet zum 21. Mal statt
Der 20. Hausacher Leselenz (5.-14. Juli)
Mit Carolin Callies (D), Safiye Can (D), Rocío Cerón (MEX), Valentina Colonna, (I) Zehra Çırak (D), Christoph Danne (D), Alice Gabathuler (CH), Nora Gomringer (CH / D), Simone Hirth (D / A), Ranjit Hoskoté (IND), Semier Insayif (IRQ / A), Jan Koneffke (D / A / RO), Els Moors (B), Tom Schulz (D), Tzveta Sofronieva (BG / D), Michael Stavaricˇ (CZ / A), Aleš Šteger (SLO), Suleman Taufiq (SYR / D), Ilija Trojanow (BG / D / A) u.v.a.
Drittes Offlyrikfestival 2017
10 Lyrik-Performer treten am 7.7.2017 in Düsseldorf auf: Maroula Blades, Kersten Flenter, Thomas Havlik, Stan Lafleur, Alexander Nitsche, Kai Pohl, Clemens Schittko, RoN Schmidt, Tom de Toys (Moderation) und Harald ‚Sack‘ Ziegler.
Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt (5. bis 9. Juli). Am Sonntag, dem 9. Juli, werden fünf Preise vergeben.
Internationales Poesiefestival in Medellin (8.-15. Juli)
Am 8. Juli 1899 wurde das Henrich-Heine-Denkmal des Bildhauers Ernst Herter in New York enthüllt. Die österreichische Kaiserin Sisi hatte es bezahlt und der Stadt Düsseldorf schenken wollen, aber die dortigen Antisemiten verhinderten seine Aufstellung.
Am 10. Juli 1755 Uraufführung des bürgerlichen Trauerspiels Miss Sara Sampson von Gotthold Ephraim Lessing in Frankfurt/Oder. „Die Zuschauer haben drei und eine halbe Stunde zugehört, stille gesessen wie Statuen, und geweint.“
Am 13. Juli 1793 wird der Revolutionär Jean Paul Marat von Charlotte Corday in der Badewanne erstochen. Der deutsche Dichter Klopstock wird sie als „Männin Corday“ loben.
Am 14. Juli stürmen Pariser Bürger die Bastille. 1795 wird die Marseillaise zur französischen Nationalhymne. Seit 1980 Nationalfeiertag in Frankreich.
Geboren wurden am 8. Juli 1803: Julius Mosen, 1885: Ernst Bloch, 1890: Walter Hasenclever; am 9. Juli 1764: Ann Radcliffe, englische Schriftstellerin, 1834: Jan Neruda, tschechischer Schriftsteller, 1889: Nikolai Assejew, russischer Dichter, 1933: Arnfrid Astel, deutscher Lyriker; am 10.Juli 1501: Cho Shik, koreanischer Dichter, 1640: Aphra Behn, englische Schriftstellerin, 1845: Dolors Monserdà, katalanische Schriftstellerin, 1871: Marcel Proust, französischer Schriftsteller, 1889: Nikolai Assejew, russischer Dichter, 1902: Nicolás Guillén, kubanischer Dichter, 1913: Salvador Espriu, katalanischer Schriftsteller, 1919: Pierre Gamarra, französischer Schriftsteller, 1927 (90. Geburtstag): Paul Wühr, deutscher Schriftsteller, 1932: Jürgen Becker, deutscher Schriftsteller, 1937 (80. Geburtstag): Kurt Bartsch, deutscher Schriftsteller; am 11. Juli 1561: Luis de Góngora, spanischer Dichter, 1866: Richard Beer-Hofmann, österreichischer Schriftsteller, 1928: Kurt Klinger, österreichischer Schriftsteller, 1930: Klaus Wagenbach, deutscher Verleger; am 12. Juli 1817 (200. Geburtstag): Henry David Thoreau, amerikanischer Schriftsteller und Philosoph, 1862: Hermann Conradi, deutscher Schriftsteller, 1868: Stefan George, 1874: Elsa von Freytag-Loringhoven, Pionierin des Dadaismus, 1876: Max Jacob, französischer Dichter, 1881: Ludwig Rubiner, deutscher Dichter, 1892: Bruno Schulz, polnischer Schriftsteller, 1904: Pablo Neruda, chilenischer Dichter (Nobelpreis 1971); am 13. Juli 1773: Wilhelm Heinrich Wackenroder, deutscher Schriftsteller, 1793: John Clare, englischer Dichter, 1930: Jesús López Pacheco, spanischer Schriftsteller, 1934: Wole Soyinka, nigerianischer Schriftsteller (Nobelpreis 1986), 1938: Helga Königsdorf, deutsche Mathematikerin und Schriftstellerin; am 14. Juli 1743: Gawriil Derschawin, russischer Dichter, 1868: Gertrude Bell, britische Schriftstellerin, Hafisübersetzerin, 1912: Woody Guthrie, amerikanischer Gewerkschafter und Liedermacher
Todestage: am 8. Juli 1604: Heinrich Albert, Dichter und Komponist („Anke van Tharaw“) 1681: Georg Neumark, deutscher Kirchenlieddichter und -komponist, Mitglied des Palmen- und Blumenordens („Wer nur den lieben Gott läßt walten“), 1822: Percy Bysshe Shelley, 1892: Richard Aldington, 1984: Franz Fühmann, 1987: Gerardo Diego, spanischer Dichter; am 9. Juli 880: Ariwara no Narihira, japanischer Dichter, 1677: Angelus Silesius, deutscher Dichter, 1848: Jaume Balmes, katalanischer Philosoph und Theologe, 1962: Georges Bataille, französischer Schriftsteller, 1980: Vinícius de Moraes, brasilianischer Dichter; am 10. Juli 138: Hadrian, römischer Kaiser (Gedicht: Animula, vagula, blandula), 1934: Erich Mühsam, deutscher Anarchist, 1942: Franz Blei, 1970: René Schwachhofer; am 11. Juli 1844: Jewgeni Baratynski, russischer Dichter, 1966: Delmore Schwartz, amerikanischer Dichter, 1974: Pär Lagerkvist, schwedischer Dichter (Nobelpreis 1951), 1975: Kurt Pinthus, deutscher Schriftsteller; am 12. Juli 1536: Erasmus von Rotterdam, 1874: Fritz Reuter, niederdeutscher Schriftsteller, 1911: Júlia da Costa, brasilianische Dichterin, 1959: Carles Riba, katalanischer Schriftsteller, 1984: Hannes Flesner, ostfriesischer Liedermacher, 2016: Paul Wühr; am 13. Juli 815: Wu Yuanheng, chinesischer Dichter und Politiker, 1967 (vor 50 Jahren): Tudor Arghezi, rumänischer Schriftsteller; am 14. Juli 1780: Charles Batteux, französischer Ästhetiker, 1817 (vor 200 Jahren): Madame de Staël, französische Schriftstellerin
Philip Larkin exhibition in Hull offers fresh insights into poet’s life / Guardian
Why we should learn German. Von John le Carré, Guardian (dazu hier auf Deutsch)
Kategorie: Österreich, Belgien, Deutsch, Deutschland, Englisch, Mauretanien, Russisch, Tunesien, USASchlagworte: Abdellatif Laâbi, Andreas Breitenstein, Angelika Janz, Anja Kampmann, Ann Cotten, Aslı Erdoğan, „Matthias“ BAADER Holst, Beate Tröger, Bernd Stegemann, Charles Simic, Christiane Körner, David Van Reybrouck, Düsseldorf, Deniz Yücel, Dorothy Parker, Enno Stahl, Hansjörg Zauner, Ina Kutulas, Jan Wagner, Jeffrey Lang, Jonas Lüscher, Joseph Murphy, Leukerbad, Lukas Bärfuss, Mara Genschel, Matthias Hagedorn, Nico Bleutge, Nikola Madzirov, Paul Jandl, Paul-Celan-Preis für herausragende Übersetzungen ins Deutsche, Pierre Henry, Raphael Urweider, Robert Menasse, Ronald Pohl, Serhij Zhadan, Thomas Havlik, Ulrich Blumenbach
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