76. Debatte

Mit seinem Artikel »Lassen Sie mich durch, ich bin Arztsohn!« provozierte der Literaturkritiker Florian Kessler in der Zeit (4/2014) eine Diskussion über die Frage, ob und warum die deutsche Gegenwartsliteratur brav und konformistisch sei. Im Zentrum seiner Argumentation steht die Rolle von Literaturstudiengängen, wie sie in Leipzig oder Hildesheim absolviert werden können. Deren Absolventen kämen alle aus demselben saturierten Milieu. Nachdem ihm die Schriftstellerin Olga Grjasnowa am 8.2.2014 mit dem Artikel »Deutschland, deine Dichter – bunter als behauptet« widersprach, greifen an dieser Stelle die Autoren Jan Decker und Reinecke mit jeweils einem Beitrag in die Debatte ein.

„Diese Stelle“ ist die Tageszeitung junge Welt. Zwei Zitate.

Jan Decker:

Wohlwollende Stimmen raten Autoren, sich nicht ablenken zu lassen. Ich rate das allen Autoren. Nehmen wir an, ich heiße Sabine aus Berlin und studiere an einer der Schreibschulen. Daß ich mich politisch äußere, registriert Enno Stahl nur, wenn ich kanonisiert bin. Kanonisiert werde ich nach der Kessler-Vermutung nur, wenn ich Oberschichtenkind bin. Nein, denkt sich Sabine. Ich lasse mich doch nicht ins Bockshorn jagen. Recht hat sie. So plumpe Kategorien wie Ausländer, Oberschichtenkind, Nichtwähler greifen nicht, wenn es um die Suche nach der eigenen literarischen Stimme geht. Und nichts anderes, das habe ich erlebt, ist das Projekt der Schreibschulen. Für alles andere, auch das Schaulaufen mit Selbstanpassung, das auch außerhalb der Schreibschulen für manchen Aufstieg verantwortlich sein soll, ist jeder selbst verantwortlich.

Bertram Reinecke:

In einem Umfeld, das bestimmte Lebensläufe begünstigt, sind Schreibhochschulen überfordert, das völlig auszugleichen, was anderswo schiefläuft.

Wenn man seinen Blick lediglich auf die literarische Großöffentlichkeit richtet, sieht man nicht alles. Etwa den Agenten nicht, der einen jungen Autor anraunzt: »Mit dieser Vita kann ich nicht arbeiten«. Autoren, die wie Mara Genschel oder Kai Pohl wider allen Gegenwind radikal politisch arbeiten, ohne vom Betrieb als Maskottchen der Pluralität entdeckt worden zu sein, tauchen leider auch bei Florian Kessler nicht auf. Man versteht schon: Randständigkeit könnte ja immer auch auf mangelnder literarischer Qualität beruhen.

Und noch etwas: Solange man dem Autor zutraute, ein Spezialist für den Umgang mit Zeichen zu sein, traute man ihm auch besondere Beobachtungen in anderen Feldern zu. Heute hat man zunehmend den Verdacht, das »Handwerkliche« führe nur von dem weg, worum es eigentlich gehe. So schottet sich die Öffentlichkeit gegen überraschende Einsprüche weiter ab.

Ein Großteil des Interesses an junger Literatur bezieht sich erst gar nicht auf Literatur, sondern auf Jugendlichkeit. Es ist lediglich Voyeurismus, man möchte etwas vom Lebensgefühl der nachfolgenden Generation erhaschen.

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32 Comments on “76. Debatte

  1. sollte doch nur, was sie gelöscht haben, ein phänomenologischer vergleich sein. mag hinken etc., aber irgendetwas ist doch daran? es sind in dieser debatte auch namen genannt worden, die ähnlicher meinung sind. ich dachte halt, es ginge in der debatte um etwas integrales. integral=nicht mehr abweisen können. ich konnte den vergleich nicht abweisen, daß eine literatur, die man nicht genießen kann einer politik vergleichbar sein könnte, die man auch nicht genießt, was ist dabei? ungerechtigkeiten unterlaufen wie alle fehler. wenn man sie dann nur einsieht. nicht mehr abweist. ich sehe noch nicht ein, daß es keinen negativen ansporn geben könne, nur weil er sich anzüglich zur tagespolitik verhält. guter umgang ist gut, angenehm und produktiv. garkein umgang, was ist der? die erwähnte und zugegeben, vielleicht ein bißchen ungerechterweise miteinander vermischten namen – das ist eben meine meinung – um wie ein vorredner zu reden, öffnen nicht/s, sondern helfen es schließen. öffnen=resonanz. schließen nicht. wenn man der bewegung einer sprache anfühlt, daß sie schützengräben buddelt – ein unbehagen, daß hier doch viele vereinigt – dann fördert das was? ??? Frage?

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    • es gibt eine c h a n c e, die kriegt beispielsweise heute jemand in der ukr nicht, und daran ist die literatur, die hier zur kritik steht, mit-schuld. sie ist ein mittelding aus janunkowitsch, westerwelle und ron winkler. wer sich anschickt sie zu kritisieren, wird ein mittelding aus maidan, putin und sich selbst. zwischentöne gibt es, wie es ist, eh nicht. b. reineckes intuition erstickt auch am resonanzmangel. dabei dachte ich, ein dichter bleibt unter allen umständen einer., weil macht das den dichter? er erblüht unter der dürftigkeit. aber unser ron janunwinwesterkowitsch wird selber dürftigkeit, sobald er sich sattgegesen und eine e-mail mit der bestätigung für die reiserückkostenerstattung erhalten hat.
      der
      vogel
      zwitschert /ohne
      dies

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    • hab keine zeit für dauerdebatten auf kommentarspalten. an ihrem kommentar verstehe ich weder die frage noch die 2 aussagen. aber das ist unwichtig, sie müssen sich mir nicht erklären.

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  2. unverständliche replik, liebe zensur! verzeihung!? so grob? warum ist die diffarmierung kein schlimmer ansporn?

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    • anonyme diffamierung ist kein ansporn für irgendwas, nur feige. anonyme einsendungen in den müll werfen ist keine zensur. wenn alex h = alex heinich ist, warum nicht gleich so?

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  3. [man zeigt nicht mit nackten fingern auf angezogene leute, sagt der volksmund. an dieser stelle stand ein kommentar mit grob diffamierenden urteilen von jemand ohne namen über jemand den er mit vollem namen nennt. also bitte wenn sie schon den chefkommentator spielen wollen machen sie sich dafür ehrlich. lyrikzeitung]

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  4. der luxus, wenn er in irgendetwas bestehen soll, weil der lebensstandart kann es nicht sein: ich bade nicht in römischen bädern. die heitere erhabenheit, für die jeder als privatmensch selbst zu sorgen hat, ist beständig bedroht: struktur. wohlgemut wie ich kann, versuche ich mich auf das zu besinnen, was ich kenne und das widerspricht sehr, obwohl es meine erfahrung ist, dem, und darin liegt, besteht er nun vielleicht endlich, der luxus, was außen heil und innen völlig wirr ist und am ende auch noch beschiß und das läßt sich so schwer fassen, liegt aber in unserer luft, die eben n i c h t heiter und erhaben ist, sondern struktur. die jetzige ukraine ist um das mehr revolte als w i r, um welches wir mehr struktur sind, als sie. wer ehrlich ist unter denen, die gern über das böse die stirne runzeln, empfindet der nicht eine befriedigung, vielleicht sogar schönheit beim anblick der leichen von kiew? ich nicht. der luxus, wenn einer ist, kann also nur sein: die struktur urteilen zu lassen!

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    • warum luxus? weil der luxus beim schreiben zeit ist. beim lesen natürlich auch. diese debatte wird darum weitgehend unter literaten bleiben. besser ist es, text herzustellen, der den unterworfenen alltagssentimentalen jobber in der berliner niedriglohnrepublik augen, ohren und poren öffnet.

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      • und wenn er dieselben schließen hilft? wenn muße luxus ist, dann ist dein satz ihr niedriglohn.

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  5. lesetip zu all diesen luxusgedanken: sartres abschnitt über verbürgerlichung in „was ist literatur“ von 1958 und parallel dazu marcuses kritik an affirmativer kultur von 1930

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  6. Sundermeier bringt ein schönes Zitat aus einer Doktorarbeit: »Worauf ich hinaus will? Dass wir nicht deutschen Schriftsteller deutscher Sprache endlich anfangen sollten, die Freiheit unserer Multilingualität und Fremdperspektive zu nutzen. Wir müssen aufhören, darüber nachzudenken, was wir tun und schreiben sollten, damit wir Applaus kriegen, wir dürfen nie wieder den Shitstorm der deutschen Kulturvolksfront fürchten, wir müssen immer nur in den einfachsten Worten, die wir kennen, über die Menschen sprechen, wie sie wirklich sind, egal, ob ihre Großeltern aus Antalya, Moskau oder Pforzheim kommen, und wenn wir eine gute Idee haben, wie wir erzählerisch und essayistisch den trüben deutschen Bloß-nicht-auffallen-Konsens attackieren könnten, kann das auch nicht schaden. Denn Wahrheit ist ein anderes Wort für Poesie, und der Schmerz, den sie beim Autor und bei den Lesern auslöst, verwandelt überhaupt erst die Worte in Literatur.« und räumt ein „Elsner hatte in ihrem Aufsatz bereits eingeräumt, dass »eine realistische Geschichte nicht nach Art Willi Bredels aus dem wahren Leben geschöpft zu werden« habe.“ kommt aber leider auch nicht zu dem Schluss, dass es sich beim Realismus nicht unbedingt um eine Kategorie handelt, die mit Deskription zu eruieren ist, sondern dass es sich um eine Wertkategorie handelt. (Etwa vergleichbar den Überlegungen des späten Brecht.) Den reflektierten Realismus, den Sundermeier bei Stahl sieht, sehe ich nicht. Ich sehe nur, das Enno Stahl als Leser klüger ist als als Theoretiker: http://jungle-world.com/artikel/2014/09/49419.html

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    • das wäre vielleicht der totale diskurs? alle oder keiner. jeder macht sein m auf und wird erhört. jeder, alle. wenn man eine bewegung hochrechnet, will sie nicht immer darauf hinaus? bewegung ist: kind kommt zur welt und wächst nach der sonne+strukturelle schatten. was bei uns strukturell im keim erstickt wird, so könnte man die ukr-ereignisse auch deuten, ist dort aktiv. die alberne dichotomie demokratie-nichtdemoratie, dieses vogelzwitchern auf dem dachbalken der eigenen stagnation ist eben am ende auch und n u r: starr-sinn. nur: wi rr. dogma. und gründet sich auf dingen, gegen die alle bücher geschrieben worden sind, die, nehme ich an, die debatten-teilnehmer hier mögen?

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    • natürlich ist es immer ein unterschied, ob man betroffen ist oder nicht. es gibt gewiß auch schichtspezielle verletzbarkeit. wenn es ein literaturmillieu gibt, das ein monopol für die literatur, d.i. alles, was literatur zu sein gedenkt, besitzt, welches nun, sagen wir es ruhig: bestimmte erscheinungsformen, die von gewissen vulnerabilitäten zeugen, die auf gesellschaft deuten, verbietet. dann haben wir auch, was so manche intuition eh ahnt, und es ist vielleicht etwas an dem verdacht der kastenliteratur. als ich auf einer lesung war mit d. seel u. a. und d. golynko (rus) fiel mir auf, daß nicht nur nicht verstanden wurde, worüber der ausländische gast spricht, sondern gar nicht die neugierder da war, sich damit erst zu befassen. fritz nietszche maulte in der hinsicht oft über mangel an psychologischer neugierde unter deutschen (dumpfheit?). man kann sich, behaupte ich, wohl verabreden, ohne miteinander je geredet zu haben, man kann vielleicht nicht einmal daran gedacht haben, sich verabredet zu haben und sich, verabredet wie man trotzdem ist, sogar furchtbar ungebunden vorkommen, und es ist doch ein unsichtbares gesetz, das waltet, wirkt und die literatur selektiert. das ist struktur. die greift in den menschen ein. den menschen dagegen zu verteidigen, meine ich, wäre ein würdiges geschäft für den dichter. wo nicht, darf man sich, wenn es die situation gebietet, aber auch fragen auf welcher seite der dichter steht. man muß nicht carl schmitt sein, um das für politisch zu halten. wie man es dreht und wendet, es gerät ja doch sehr oft politisch, nicht?
      daneben würde ich mich, wenn ich einer von 19 von 20 sog. zeitgenössischen dichtern wäre, nicht auf die gnade des auch wahren satzes werfen: es gibt nur gut und schlecht geschriebene bücher.
      da wird einfach dumpf ausgeharrt. es werden meinungen von den künstlichen bäumen geerntet, die man selber pflanzt, indem man sie erdichtet. in einer sprache, die nicht befriedigt, selten gefällt und nur den respekt derer abverlangt, die das selbe geschäft ausüben: wollen, daß behauptet wird, daß sie literatur machen.

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  7. die 1. liga der liuteratur ist die unterhaltungsliteratur. darin war die deutschsprachige doch nie gut. literatur ist sie nicht heute so beschaffen: wenn sie einer machen will, muss er sie so machen, daß man für ihn behauptet, er hat literatur gemacht. wird denn gelesen?

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  8. was wäre denn, wenn es einer großen zahl von menschen gelänge sich zu folgender aktion zu verabreden: in berlin, wo die sozialen strukturen des übrigen deutschlandes einigermaßen zertrümmert sind. wo es wenig vorgezeichnete bahnen gibt, weniger den trott, den der lebensstandart z.b. münchens, bayerns, rhein-main, b-würtenberges mit sich bringt. wenn diese menschen vornähmen die regierung zu stürzen, wie es in der ukraine eben geschehen ist. das land ist geteilt, es bestehen oben und unten. die grenze mag vielleicht nicht deutlich sein, nicht für jeden, aber sie ist da. auch zu bemerken ist, meine ich, daß aus den besagten gegenden Dlandes wenig Beitrag kommt, kein trend, keine perspektive. es wird von dem gelebt, was da ist. der trend, dem man dort frönt ist: konservieren. wenn da aber noch andere prozesse vor sich gehen. dann brechen die dort zuerst ans licht, wo weniger konserviert ist, wo die lage anders ist, wie in berlin. es herrschen in deutschland eh 2 stimmungen: berlin und der rest, bzw. berlin, ihm nahe der osten, und dann der rest. bzw. ärmere gegenden, wie der ruhrpott möglicherweise auch noch beeinflußbar für ein szenario nach art der ukraine. ich denke, der umstand, daß in der ukraine allgemein weniger systhem war, weniger struktur, weniger staat, hat denselben für so ein szenario anfällig gemacht. die möglichkeit, oder gar, nach einem solchen diskurs schließend, der bedarf-? besteht der nicht überall?

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    • lieber unbekannter herr alex, aber den unterschied zwischen einem land das seine großen probleme nicht löst und einem, das scharfschützen auf demonstranten scharf schießen läßt, möcht man schon nicht übersehen. schöne unschuldige gedankenspiele, luxusklasse…

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      • was sind die großen probleme e i n e s landes? der könig? wenn sich in berlin ein tumult ergeben würde wie in kiew, stellen sich auch u n s e r e scharfschützen ein, oder nicht? wozu haben wir die denn? kaserne=landes hobbykeller?
        die motive, welche im element a u f s t a n d in der ukr oben auftauchen: alles nationale, eu, rußland etc etc hat doch mit dem element geschichte zu tun. glaubst du, liebe lyrikzeitung nicht, daß es in deutschland und den schichten unter seiner, unserer historischen haut dinge gibt, die, wenn sie in die entsprechende situation gerieten, nicht zu jucken anfingen? ws ist mit 89 ostdeutschland? alles ruhig?
        zum verständnis: die, die ukr, löst ihre großen probleme nicht und schießt eher auf demonstranten? ergo: brrrgggffff.
        wenn noch um die weihnachtszeit in kiew sich einer wegen der widersprüche, die damit zu tun haben, was heute auf den fahnen geschrieben steht, gegrämt hat, ist er genauso in die kneipe gewandelt, wie unsereins. es gehen bei uns, unter uns, in uns auch dinge vor sich, die man auf fahnen schreiben kann.

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  9. wenn stimmt: wo systhem ist, da herrscht training. der dichter ist davon betrübt oder hat zu viel von der erhabenheit in sich und greift nach dem menschen, dem ganzen menschen, und somit über das systhem hinaus, so könnten, was ein schichtspezifisches training angeht, die möglichkeiten bestehen: es werden in den einen schichten erfahrungen gemacht, die andere schichten ablehnen. das wäre gleichsam soziologisch. einzelnenfundierter wäre der fall des individuellen verhängnisses, zu viel mensch zu wollen, zu wenig systhem. in reinform tritt nichts auf, das heißt es ist bestimmt vermischt, aber, wenn man absieht vom klein-klein irgendwelcher zufälliger begebenheiten, wie: ich habe einen verlag zu verwalten etc etc. , dann kann es sich doch bei der aufgeworfenen und völlig schwadigen frage nur um etwas handeln, das damit zu tun hat, nicht wahr?
    also, wenn das wahr ist: so kommt es unweigerlich zur frage: erfahrungen islolieren, oder gar weglassen, ausschließen, totschweigen. es gibt die macht des schweigens. oder erfahrungen eine sprache geben. die meiste aktuelle deutsche literaturmache stellt in dieser fragestellung, besonders, wenn man sie besser formulieren würde, als ich hier, jetzt, eine ausflucht dar. was ja übrigens typisch für sie, die deutsche literaturmache, von alters her sein soll (siehe hugo ball kritik an der deutschen intelligenz etc etc). in dem punkt bemerke ich auch einen zusammenhang zu B. Reineckes punkt in hinsicht auf bürgerliche normen etc etc.
    die provokation: wer von oben kommt wird angenommen, wer von unten, nicht, ist, glaube ich eine hoffnung, daß so ein unbehagen soziologisch greifbar ist. wozu auch immer.
    medienaufmerksamkeit bedeutet macht und beinhaltet gleichwohl nur die behauptung, daß es so und so sei, daß die und die literatur das und das wert sei etc.
    wir befinden uns doch in einer hochexperimentellen lage. wie wäre es mit der gedanklichen anwendung dessen, was in der ukraine vorgeht auf die laufende fragestellung??

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  10. In der Tat sind die Mechanismen um mediale Aufmerksamkeit in den ökonomischen Strukturen äußerst komplex und widersprüchlich. Und warum ein Werk aus dem deutschsprachigen Raum es nicht mehr in die erste Liga der Literatur, wie einst die Manns, Grass oder Remarque schafft, wird weiter zu diskutieren sein. Kehlmann zähle ich nicht dazu. Aber Die Kinder der Sisyfos von Erasmus Schöfer hat für mich durchaus das Potenzial. Aber hier ist wohl einfach die Zeit den Romanen davongelaufen. Denn ein Epochen-Roman muss auch zur richtigen Zeit, wo er einschlagen/zünden kann, geschrieben/entdeckt werden und erscheinen. Ob solche Werke unentdeckt in hiesigen Schubladen schlummern, ich wage es zu bezweifeln.

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  11. Naja ich halte „Elementarteilchen“ für ein etwas zweifelhaftes Beispiel auf dieser Liste. (Wenn das der geforderte Wirklichkeitsbezug sein soll! Mir ist es eher Beispiel für was ganz anderes.) Das aber nur am Rande, es zeigt lediglich: Worum es geht, ist vielleicht doch nichts so Einheitliches. Ansonsten haben Sie fürchte ich Unrecht. Robert Gernhard hat ein Exposee und einen Ausschnitt aus dem Mann ohne Eigenschaften verschiedenen größeren Verlagen angeboten. Bei keinem passte es ins Programm. Keine Rechtsabteilung eines großen Verlages dürfte heute die Buddenbrooks durchegehen lassen und wenn … wäre das Buch sicher bald verboten.
    Ich kenne viele phantastische und im Prinzip auch massengängige Bücher, die Jahrelang in Schubladen versauerten, bis wenigstens ein kleiner Verlag das Potential erkannte. Es gibt wirklich viele hervorragende Texte, daran liegt es nicht. Es liegt an der Aufmerksamkeitsmaschinerie.
    Und, ja, sie haben recht: Die 150 Jahre alten Konventionen des bürgerlichen Realismus sind heute immer noch weitgehend Konsens. Irgendwie bestehen besonders die Leute aus dem Politikresort immer auf dieser Kategorie. Aber das kann nicht alles sein und ist nicht alles. (Was man, um mich nicht in der Esoterikerecke wiederzufinden, nenne ich ein populäres Buch, schon an Kehlmanns „Vermessung der Welt sieht“)

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  12. @umtriebe @Betram Reinecke: Nein, es müssen nicht Romane sein, aber wir befinden uns hier in einer Debatte über Literatur, und dort sind es eben vor allem die Romane, um die es geht. Die Buddenbrooks, die Blechtrommel, Elemarteilchen, Der große Gatsby, Anna Karenina etc. wären da Beispiele.
    Und ich bin überzeugt, wer heute als Autor so einen Roman schafft, würde in unserer hungrigen Medienwelt schnell einen Verleger finden oder über BoD oder E-book ein großes Publikum erreichen.

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  13. Wie kommen Sie denn auf den Gedanken, dass die „leichter denn je“ ihren Weg in die Öffentlichkeit fänden? Ich nehme die Öffentlichkeit eher als immer fragmentierter wahr. Deswegen weiß ich gar nicht, warum man den Anspruch hegen sollte, die ganze Gesellschaft zu bewegen. Ich glaube, viele Menschen zu bewegen, reicht eigentlich als Ziel. Gerade der Anspruch, es möglichst vielen Recht zu machen, macht große Teile der heutigen Literatur besonders flau.

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  14. Diese überaus lebhafte Feuilleton-Debatte über heutige Literatur und ihre jungen Autoren zeigt zumindest eines: Es scheint einfach einen Mangel an literarischer Potenz in diesem deutschen Sprachraum zu geben, denn sonst gäbe es die Romane, die die Gesellschaft bewegen. Sie würden heute leichter denn je ihren Weg in die Öffentlichkeit finden. Mehr ist da einfach nicht hineinzudeuten und zu reflektieren.

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  15. Da ist mein Fass voll: M. E. sind die Diskussionen, die gerade über die Gegenwartsliteratur geführt werden, völlig unnötig. Nicht nur, dass sie ins Leere zielen (Stichworte: Migranten, Literaturinstitute), sie können den Gegenstand gar nicht abbilden, da dieser eben doch viel vielseitiger ist, als man (wer hat damit angefangen?) erwartet bzw. kennt bzw. unterstellt. Zumal mich das implizit Normative dieser Diskussion tierisch nervt. Man sollte die Zeit lieber damit nutzen, mehr Autoren und Texte der Gegenwart zu lesen. Dadurch wäre der Rest hinfällig …

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