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Veröffentlicht am 5. Juni 2021 von lyrikzeitung
In den frühen Jahren der Lyrikzeitung, es kann fast 20 Jahre her sein, meldete sich einmal eine Frau aus Wien, die Friederike Mayröcker regelmäßig besuchte und mir schrieb, sie würde ihr einmal in der Woche die neusten Meldungen der Lyrikzeitung vorlesen. Eine rührende Vorstellung. Gestern ist Friederike Mayröcker gestorben. Sie wurde 96 Jahre alt.
Friederike Mayröcker
(* 20. Dezember 1924 in Wien; † 4. Juni 2021 ebenda)
was brauchst du
was brauchst du? einen Baum ein Haus zu
ermessen wie grosz wie klein das Leben als Mensch
wie grosz wie klein wenn du aufblickst zur Krone
dich verlierst in grüner üppiger Schönheit
wie grosz wie klein bedenkst du wie kurz
dein Leben vergleichst du es mit dem Leben der Bäume
du brauchst einen Baum du brauchst ein Haus
keines für dich allein nur einen Winkel ein Dach
zu sitzen zu denken zu schlafen zu träumen
zu schreiben zu schweigen zu sehen den Freund
die Gestirne das Gras die Blume den Himmel
für Heinz Lunzer
Aus: Friederike Mayröcker, Gesammelte Gedichte. 1939-2003. Hrsg. Marcel Beyer. Frankfurt/Main: Suhrkamp, 2004, S. 631
Friederike Mayröcker in der Lyrikzeitung
Kategorie: Österreich, DeutschSchlagworte: Friederike Mayröcker
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gerade gestern hielt ich die Bücher, die ich von Friederike Mayröcker in meiner Bibliothek stehen habe ich den Händen. Die Augen waren auf die Strophen ausgerichtet, in Gedanken, war ich bei der grossartigen Lyrikerin. Und heute die Nachricht, dass sie nicht mehr unter uns ist, und wir keine Wortgeschenke mehr erhalten werden. Was Friederike Mayröcker uns hinterlässt, gilt es zu bewahren.
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