Das Archiv der Lyriknachrichten | Seit 2001 im Netz | News that stays news
Una Pfau, die seit Jahrzehnten Werke der französischen Moderne ins Deutsche übersetzt, zeichnet anschaulich die Stationen jener Bewegung nach, und sie folgt den Spuren, die der Kubismus vor allem in der Lyrik hinterlassen hat, bei Apollinaire, Blaise Cendrars etwa. Wie in der Malerei, die gleichzeitig die Bildgegenstände aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet, macht sie auch in der Poesie Techniken aus, die nach dem Prinzip des Collagierens und der Simultaneität verfahren.
Kalligramme und Bildgedichte kommen in Mode, in denen Buchstaben und Worte eine Vase etwa, ein Pferd oder wie bei Apollinaire den Eiffelturm nachzeichnen. Cocteau, der jüngste unter den Dichtern, übersetzt den Rhythmus des Ragtime in die Verse des Langgedichts „Cap de Bonne-Espérance“. Oder Gertrude Stein, eine Picasso-Afficionada der ersten Stunde, setzt in ihrem antipsychologischen Roman „The Making of Americans“ auf das Prinzip der variierenden Wiederholung,
(…)
Auch wenn die kubistische Phase für die meisten Protagonisten, wie Pfau zeigt, nur ein Durchgangsstadium war, so ist ihr europaweiter Einfluss unverkennbar: auf die Surrealistentruppe um André Breton, Dada in Berlin oder die russischen Konstruktivisten um Malewitsch und Majakowski. Dass sich ihre Spuren bis in die 1980er-Jahre verfolgen lassen, weist sie schlüssig nach, bis zur Wiener Schule Ernst Jandls – und, so wäre zu ergänzen, bis zum Hip-Hop und dem Rap unserer Tage.
/ Edelgard Abenstein, DLR
Reblogged this on horstbellmer.
LikenLiken