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Oskar Kokoschka
(* 1. März 1886 in Pöchlarn, Niederösterreich; † 22. Februar 1980 in Montreux, Schweiz)
Aus: Die träumenden Knaben
(...)
in meinem weißen zimmer war ich allein
doch vielleicht trug ich dich jetzt herein und es bleibt
und spricht wie aus schweren blumen etwas zu mir
mein zimmer wurde wie ein anderes land
in die weißen wälder tret ich ein
eines rentieres huf klingt und wirft in allen weißen wäldern
wiederleuchtende schneesterne auf
wie spitzengärten ist es um dich
rentierreiterin
und das rentier ist ein berg
deine kleider sind eine schneefläche
wo blumen werden
die berührung deiner dünnen finger
und die schneewälder stehen um dich wie staunende knaben
der schnee rinnt zusammen zu einem see
und auf einem roten fischlein warst du gesessen
ich hatte von dir nur gesehen deinen nackten hals in den haaren
ein stäblein wächst ins wasser hinunter
wo ist das ende alles wesens
aus deiner runden brust geht dein atem über den blauen see
wie leise ist das wirken alles wesens
ich greife in den see und tauche in deinen haaren
wie ein versonnener bin ich in der liebe alles wesens
und wieder fiel ich nieder und träumte
zu viel hitze überkam mich in der nacht
da in den wäldern die paarende schlange ihre haut streicht
unter dem heißen stein und der wasserhirsch reibt sein gehörn
an den zimmtstauden
als ich den moschus des tieres roch in allen niedrigen sträuchern
es ist fremd um mich
jemand sollte antworten
alles läuft nach seinen eigenen fährten
und die singenden mücken überzittern die schreie
wer denkt grinsende göttergesichter und fragt
den singsang der zauberer und altmänner
wenn sie die bootfahrer begleiten
welche frauen holen
und ich war ein kriechend ding
als ich die tiere suchte und mich zu ihnen hielt
kleiner
was wolltest du hinter den alten
als du die gottzauberer aufsuchtest
und ich war ein taumelnder
als ich mein fleisch erkannte
und ein allesliebender
als ich mit einem mädchen sprach
Aus: Oskar Kokoschka: Die träumenden Knaben und andere Dichtungen. Salzburg: Galerie Welz, 1959, S. 24/26
Oskar Kokoschka schrieb seine erste Dichtung, „Die träumenden Knaben“, 1907. Sie erschien 1908 im Verlag der Wiener Werkstätte und noch einmal 1917 bei Kurt Wolff. Die dem Text beigegebenen Lithographien sind noch ganz vom Jugendstil geprägt (Bilder findet man im Netz, wenn man nach dem Titel sucht. Hier zum Beispiel.). Der 22jährige Kokoschka widmete das bibliophile Buch mit acht Farblithographien Gustav Klimt. „Der Dichter war dem Zeichner Kokoschka in diesem Augenblick, entwicklungsgeschichtlich gesehen, voraus“, schreibt der Herausgeber von 1959.
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