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L&Poe Journal #02
Nach dem Start der Ausgabe 02 im zeitigen Frühjahr kam eine intensive Arbeitsphase im Zusammenhang mit dem zweiten Band meiner Edition der Barockdichterin Sibylla Schwarz. Die Paperbackausgabe ist erschienen, Hardcover ist noch im Satz. Zeit für den Schlussspurt des zweiten Journals. Heute eine Ergänzung zum Abschnitt NEUE TEXTE, der in dieser Ausgabe Gedichte von Autorinnen bringt. Nach Jayne-Ann Igel | Silke Peters | Mara Genschel | Kerstin Becker | Brigitte Struzyk | Odile Endres | Martina Hefter und Anna Hoffmann hier ein paar unveröffentlichte Gedichte von Sophie Reyer, die sie mir dankenswerterweise zur Verfügung stellte.
Sophie Reyer
: Ich bin ein Schrei aus dem Nebel bin die die der Fremde spricht ganz ohne Nabel wo fange ich an Überland fährt mein Wind Schnee schlägt mein Leben dir ins Gesicht bleich die Sonne an meinem Rücken ich bin die Vollendete das ist mein Leid: kalt fall ich Flocke quelle als Schnee lös mich auf in deinen Augen dein Blick der trifft mir Lied und Trost aus eigenem Mund: keinem (du meine Wunde) : Abend Abgrund ohne Knochen ohne Gelenke so eine fällt nicht durchsichtig werden Abschied : Bekenntnis ich habe nie den Frühling verstanden die Sommer hasste ich von Kindheit an nur im Dunkel lasteten süß die Träume auf mir immer da wo ich fror wo ich wegblieb wurde ich ganz : Stiche brauchen die Klippen Schatten die Erde ruh dich aus im letzten Lachen zieh deine Clownschuhe an: Abschied : wohin uns die Sonnen Strahlen nicht folgen konnten band uns der Regen zusammen: Schmerz (der Schmetterling gehört nicht nur deinem Garten) : was Liebe ist: der Schmetterling gehört nicht nur deinem Garten : Die Sonne ein Loch im Schädel der Welt: wie lange noch? (Ozon.) : Epitaph: wohin klirrendes Mädchen weißt du noch damals: der Friede zerbrach und am Rücken der Druck von Flügeln die Last ein Engel zu sein bis der Wind kam: klirrendes Mädchen wohin : Kindheitserinnerung Gedächtnis meiner Fusssohlen: Gras du, dein irres Grün : Narbe geh ans Ende um es zu Ende zu fürchten nur was man verliert wird nahe Narbe : Drachin singt Drachin bin ich die sich anfreunden will mit jemandem der aus Angst vor ihr zittert ich belle so laut ich weine so zart ich speie Feuer ich nage Knochen ich bin aus Glas du meine Sehnsucht: der Leuchtturm schwer immer diese Flügel der Panzer so hart ich kreise um dich wie ein Sturm die Haut in Falten gelegt aber kein Brennen währt ewig gegen den See auch wenn Schuppen nicht altern: du weichst nicht du kennst keine Furcht Drachin bin ich so halb so zart und du lässt dein Haar nicht herunter schau der Stern im Auge meines Sturms manche nennen ihn Krone der Welt: ich habe Schmerzen Drachin bin ich die sich anfreunden will mit jemandem der aus Angst vor ihr zittert : der Himmel Blicke ohne Augen an ihm: es ist schwer dich mit der Präzision eines Lidschlags zu küssen wo alles vergeht dich weiter lieben mit milden Fingern und nichts als dem leeren Wind im Haar: Unbehagen Sehnsucht ungelüftet die Jahre Licht- Farb- und Wärmeerscheinung ich machte Karriere nie weit genug nie tief hinab zu hoch zu hell zu weh und mit dem nächsten Augenaufschlag des Fensters schon wieder andere Vögel : Unzählige Male zergeht ein Jetzt und ich weiß nicht wer ich bin zerdrückte Früchte rote Flecken auf meinem Kleid. Mein Wort heißt: Keiner. Ich gieß Milch aus der Schale an einen Baum um ihn zu füttern. Und alles hab ich gestohlen: Gesichter und Gedichte. Ich sage es laut immer wieder: wohin : Ich bin der Möglichkeitssinn die multipolare Welt in Atem Sirenengesang als schriller Schrei als Unerhörtes gerate ich in die Welt und weiß von Anfang an nicht weiter: Mutters Massengrab in mir: es ist ein Menschheitsgrab ohne Namen Stein in mir mehr als bloss Materie oder Gewicht ich kippe werde von Wasser (deinem Blick) weich gewaschen mein Herz pocht steinern: Mineral und Muskeln und nur deine Augen könnten mich irgendwann heilen : Kiesel Felsen Geröll Schutt Mauer: ich gehe in mir nicht mehr auf : wie tief entwellt mein Falten Ich vom Leben gestaltet alt geworden atmet nicht mehr: atme mich aus : und ein neues Selbst gefaltet: Tiefe der Steine : aufgeatmet nach dem Wellenschub liegst du Land an Land mit mir wie Hagelkörner sind wir durchsichtig rein und hart dein Schwanz an meinem Abgrund ich folge dem Wesen des Wassers werd in dir ganz : Liebeserklärung komm bekomm nie einen Körper sei Raum in mir Äther aus Blau ich will dich fingerlos lieben und mit dir sprechen wie Fische es miteinander tun und keiner kann uns hören : Ich Verunfallte Friede ist das wunde Wort in mir das ich immer nur schrieb ohne es werden zu können : Im Traum lachen die Bäume dich aus. Uns retten? Auf diese Idee kommen nur Menschen, ehrlich! Sagen sie kichernd. (Und sogar ihr Lachen dauert tausend Jahre) : für Rainer Maria Rilke Licht Wasser und Sonne und die Klarheit die alles tötet: was du heute noch an Worten brauchst heißt wachsende Ringe : Wie der Blitz tauchst mein Zimmer ins Licht das selbst jeder Tote wegsehen muss: : Es ist Windzeit. Deine Wangen spannen sich an. Türme fallen überall um. Es ist Einsamkeit. Dir fehlen keine Menschen- Du trauerst um etwas das du nicht kennst. Finger sprießen Vögel werden kommen und du wirst zu Tode gehungert sein: Flügel Es ist Windzeit. : Ich weiß je schneller ich die Phantasie von mir aufgebe desto leichter treffe ich auf das Leben doch ich will es nicht sein: dieses faltige Gesicht vom Meißel des Intellekts behauen ausdruckslos wie ein Stein und immer noch mit Augen aus Glas : Du bist: Bilder: die sorgfältig konstruierte Maschine der Gewalt. Du betriffst uns: unmittelbar. Fängst uns in den Rastern der Manipulation: zu rühren: alles aus dem Wege fegst du (im Sinne des Konsens von Opfer und Täter) Du machst Atomwaffen und Angst. Und die macht uns: unlogisch: das ist deine Macht. Du bist die gewaltvolle Besetzung all unserer Lebenswirklichkeiten: Kein Ein. Kein Aus. Ein endloses Enter. Die Reproduktion von Sinn. Eine Konstruktion als Gegenteil Von Ethos. Von Demokratie. Eine Institution bist. Des Rassistischen. Wem du dienst? Den Eliten. Wie das Patriachat sich einschreibt: Bist du Reproduktionsmittel und Missbrauch aller. Die Ausbeutung einer Philosophie der Verstellung. Die Welt deine Bühne. Performance aus Schlagzeilen. Schaffst einen Rahmen. Bist im Handel mit Leben und Tod (it´s all a game for the ones in power game:) over. Von Anfang an ein geschrieben: Rück Koppelungs Schleife & Rückfall in die archaischen Vorstellungen der Macht. Du kennst keine Liebe, keine Demut. Bist eine Erzählung ohne Leerstellen, da wo Eliten Gott spielen behauptest du die Eroberung irgendeines Paradises: Krieg. Krieg: du bist eine künstliche Psychose, ein Sprechen mit dem Anspruch des Allwissens: Krieg. Nie bist du Freiheit. Gewalt & Unterhaltung deine Narrationen. Krieg: A performing Act: da Form über Zensur die Inhalte manipuliert: nie Ausblick. Bloss Behauptung des Erhabenen (not funny sagen die) bist Handel als Grammatik der Mächtigen, das Gegenteil von Leben. Ersetzt du Vernunft durch Gefühle (not funny!) besiegt sind alle. Ohne Frieden. In dir: Krieg. : der Himmel Blicke ohne Augen an ihm: es ist schwer dich mit der Präzision eines Lidschlags zu küssen wo alles vergeht dich weiter lieben mit milden Fingern und nichts als dem leeren Wind im Haar: Unbehagen Sehnsucht ungelüftet die Jahre Licht- Farb- und Wärmeerscheinung ich machte Karriere nie weit genug nie tief hinab zu hoch zu hell zu weh und mit dem nächsten Augenaufschlag des Fensters schon wieder andere Vögel
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