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Veröffentlicht am 25. Juli 2022 von lyrikzeitung
Heute spiele ich Orakel. Ich nehme eine dicke Anthologie – die 19. Auflage des Echtermeyer (Cornelsen 2005) war am schnellsten zur Hand – und suche ohne hinzusehen eine Seite irgendwo im Innern. Und siehe, es ist schon wieder Wedekind. Auf der Seite stehn noch zwei Gedichte von Stefan George, aber der Finger war näher am Tantenmörder, also bitte.
Frank Wedekind Der Tantenmörder Ich hab meine Tante geschlachtet, Meine Tante war alt und schwach; Ich hatte bei ihr übernachtet Und grub in den Kisten-Kasten nach. Da fand ich goldene Haufen, Fand auch an Papieren gar viel Und hörte die alte Tante schnaufen Ohn Mitleid und Zartgefühl. Was nutzt es, dass sie sich noch härme – Nacht war es rings um mich her – Ich stieß ihr den Dolch in die Därme, Die Tante schnaufte nicht mehr. Das Geld war schwer zu tragen, Viel schwerer die Tante noch. Ich faßte sie bebend am Kragen Und stieß sie ins tiefe Kellerloch. – Ich hab' meine Tante geschlachtet, Meine Tante war alt und schwach; Ihr aber, o Richter, ihr trachtet Meiner blühenden Jugend-Jugend nach.
Kategorie: Deutsch, DeutschlandSchlagworte: Frank Wedekind
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