Aufbegehren

MIKAEL VOGEL

Aufbegehren, für Friederike Mayröcker

Wenn ich einmal sterben 
Entgegen meiner Absicht trotzdem einmal sterben sollte 
Obwohl der Tod mein 
Leben lang mein Todfeind war 
Obwohl ich länger schreiben, viel mehr lesen wollte 
Länger nicht daran ge-
Dacht hatte aber viel mehr Leben ansammeln wollte 
Vergessen hatte dass das ewige Leben in der Intensität des Lebens liegt 
Sagt nicht dass ich in Frieden ruhen solle 
Gebt mich nicht so leicht auf, wünscht dass ich mich wälzen 
Dass ich um mich schlagen möge, den Tod an seinen gelben Fingernägeln ziehen 
Seine Knochen durchzuschütteln ver-
Suchen 
An seinen unverrückbaren Rippen meine Hände pulverisieren 
In meiner angesammelten Wut 
Sie ihm alle heimzuzahlen versuchend, meine Toten 
Die er wegge-
Rissen 
Gedemütigt, wie Lappen ausgewrungen hat 
In Kindskörpern wegzog 
In greisen Schmerzgefäßen überraschte, es war zu früh 
Denen er, Gift ins Ohr, an Weganfängen einflüsterte es sei zu spät 
Die weinend mitgegangen sind.
Redet nicht vom Bleiben eines Werks als ob es den Tod seines Menschen er-
Setze. Sagt: ihre Lebenslust. Sagt: sie riskierte die Nacht.
Ihre Erinnerungen, ver-
Stummt. Die Entfernung in die hin sie ganz allein war, uns ver-
Lorengegangen. Sagt: Mit der die ich kannte ist die die ich nie kennenlernte ver-
Schwunden.
Ich sage: Dort, wo deine Füße waren.
Deine Luftschuhe, leer

Aus: manuskripte 236/2022. weiter schreiben. S. 101

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