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Veröffentlicht am 19. April 2020 von lyrikzeitung
Else Lasker-Schüler
(* 11. Februar 1869 in Elberfeld; † 22. Januar 1945 in Jerusalem)
Am 19. April 1933 verließ die Dichterin auf der Flucht vor den Nazis ihr Heimatland.
DIE VERSCHEUCHTE
Es ist der Tag im Nebel völlig eingehüllt,
Entseelt begegnen alle Welten sich –
Kaum hingezeichnet wie auf einem Schattenbild.
Wie lange war kein Herz zu meinem mild…
Die Welt erkaltete, der Mensch verblich.
– Komm bete mit mir – denn Gott tröstet mich.
Wo weilt der Odem, der aus meinem Leben wich?
Ich streife heimatlos zusammen mit dem Wild
Durch bleiche Zeiten träumend – ja ich liebte dich.
Wo soll ich hin, wenn kalt der Nordsturm brüllt?
Die scheuen Tiere aus der Landschaft wagen sich
Und ich vor deine Tür, ein Bündel Wegerich.
Bald haben Tränen alle Himmel weggespült.
An deren Kelchen Dichter ihren Durst gestillt –
Auch du und ich.
Aus: Else Lasker-Schüler, Sämtliche Gedichte, hrsg. von Friedhelm Kemp. 3. Aufl. – München : Kösel, 1984, S. 204
Kategorie: Deutsch, DeutschlandSchlagworte: Else Lasker-Schüler
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