95. Erratischer Brocken

Wulf Kirsten hat in jahrelanger Arbeit eine packende Lyrik-Sammlung komponiert, es entstand gleichsam ein fortlaufendes Gedicht, bekannte Dichter neben randständigen – das fortlaufende Gedicht ergibt ein eindringliches, noch nie so kompaktes Bild von Gleichzeitigkeit: Aufschwung ins Geschichtliche, Absturz ins Übersteigerte; berauschtes Leben, zerronnene Liebe; die Wollens-Lust des Unglücks und die Lähmungen eines Glücks-Griffs; der nationale Taumel und der patriotische Widerstand. Das sich aufwerfende, quälende, verirrende, vermessene, sich findende, verlierende, das vergehende und sich vergehende Deutschland der Jahrzehnte im lebendigen Ausdruck seiner pathetischen, warnenden, leidenden, liebenden Dichter; links, rechts, mitten in Zerrissenheit. …

So, wie es Botho Strauß in einem Aufsatz über Konrad Weiß schrieb, den nordschwäbischen Mystiker-Dichter, der auch im Band vertreten ist: »Einem solch erratischen Brocken der Literatur wird stets nur der aus allgemeiner Leserschaft Abgeirrte begegnen«, in jeder Generation genüge wohl einer, der weitergibt morgen, so Strauß, »meine Güte, morgen werden wir ohnehin alles Lesenswerte nur noch in Antiquariaten und Bibliotheken auftreiben«.

Kirstens Buch nickt dazu und kämpft an. / Hans-Dieter Schütt, ND 17.3.

Wulf Kirsten (Hg.): Beständig ist das leicht Verletzliche. Gedichte in deutscher Sprache von Nietzsche bis Celan. Ammann Verlag. 1119 S., geb., 79,95 €

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