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Sie war bemerkenswert. Als Schriftstellerin, Dichterin, politische Einmischerin, Übersetzerin und äußere Erscheinung. Gestern ist Gisela Kraft 73-jährig nach schwerer Krankheit gestorben.
Gisela Kraft, die große, schwere, blonde Frau, konnte laut werden, sang eigne und fremde Gedichte auf Wunsch und hatte ein fast untrügliches Gespür für Qualität. Sie war harmoniebedürftig und manchmal unversöhnlich. Viele hatten es mit ihr nicht leicht, aber man konnte leicht und angenehm mit ihr plaudern. Sie war voll Wissen und so tolerant, wie ältere Frauen nicht immer sind. …
1984 schwamm sie gegen den Strom: Sie ging von West- nach Ostberlin. / Matthias Biskupek, Thüringer Allgemeine 5.1.
Dieser Wechsel hatte kleine politische und große berufliche Gründe: Sie konnte in der DDR vom Schreiben und Übersetzen leben. Ein Manuskript darüber heißt »Mein Leben – ein anderes«. Wenn es denn gedruckt werden sollte, wird man in diesem westöstlichen Diwan Unbekanntes über Schriftstellerkämpfe lesen können. Viel Freund und Feind kommen vor. Letztere erhoben nach 1990 lautstark ihre Stimmen und tönten, ob nicht vielleicht doch die Stasi … ja, die Stasi schrieb Berichte über die Trotzkistin Kraft.
Jahrelang recherchierte die genau arbeitende Schriftstellerin in Oberwiederstedt und Freiberg, in Artern, Dresden und Weißenfels. Sie suchte nach Spuren ihrer literarischen Liebe Novalis. Die Romantrilogie dazu entstand binnen zwei Jahrzehnten. Dieses Leben wurde immer wieder von Gedichten begleitet, die im Berliner Aufbau-Verlag oder bei der Eremiten-Presse in Düsseldorf verlegt wurden. »Matrix«, ihre wichtigste Lyriksammlung, und »Aus Mutter Tonantzins Kochbuch« (Edition Ornament, hrsg. von Jens-Fietje Dwars), ihr letzter Gedichtband, erschienen im Weimarer Jahrzwölft ab 1997, dem vielleicht glücklichsten und produktivsten Lebensabschnitt. / Matthias Biskupek, ND 6.1.
Mehr: Thüringische Landeszeitung (Frank Quilitzsch) / zeit.de /
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In L&Poe
2002 Dez # Poesie am Schaufenster
2003 Jul # „Die Lyrikerin, Übersetzerin und Islamkundlerin Gisela Kraft,
2004 Mrz #47. Der Leipziger Lyriker Thomas Kunst
2008 Okt #54. Hikmet-Auswahl
2008 Okt #62. Versfelsen
2008 Okt #69. Hikmets Traum
2008 Okt #99. In der Berliner Anthologie
2009 Jan #84. Odeur de feu – Deutsche Lyrik in Kanada
2009 Mai #82. Hafis des Kapitals
2009 Jun #95. Gisela Kraft erhält Christoph-Martin-Wieland-Übersetzerpreis
2009 Aug #118. Herrin der Worte
Ein wunderbarer Mensch. Trauer.
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