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Veröffentlicht am 17. Februar 2023 von lyrikzeitung
Ein Kriegslied des chinesischen Dichters Li Bai (Li-Tai-Po) (701-762)
DER NORDFELDZUG
Im sand'gen Nordland lagert Feindesmacht,
Die Silbersterne kreisen, hell entfacht.
Wie Schreckensblitze trifft Eilkunde ein,
Am Tag selbst lodert Feuerzeichenschein.
Der Bambustiger soll die Grenze retten,
Kriegswagen fahren aus in langen Ketten.
Nicht auf der Matte ruht der Feldherr mehr,
Wallenden Herzens faßt er seine Wehr.
Des Führers Wagen rollt im Kriegerhauf,
Stolz von dem Schlachtfeld wehn die Banner auf.
Die Wüste Gobi dröhnt vom Waffenschall,
Und Mordlust jauchzt zum Himmel überall.
Ein Flügel hält am Scharlachberge Lauer,
Ein andrer sperrt die rote Große Mauer.
Der Winter kommt, Sandstürme brausen jetzt,
Fahnen und Banner flattern schlaff, zerfetzt.
Trüb schallt im Mondlicht Hornruf übern See,
Am Kleid der Krieger hängt der Reif wie Schnee.
Fürst Lou-lans Haupt doch ist dem Schwert verfallen,
Dem Pfeile seine trefflichsten Vasallen.
Und andre der Barbarenchane wieder
Fliehen in Angst und stürzen flüchtend nieder.
Dem Kaiser meldet man das Siegesglück,
Und singend geht es nach Hien-jang zurück.
Deutsch von Otto Hauser, aus: Li-Tai-Po. Gedichte aus dem Chinesischen. Berlin: Duncker, 1911, S. 24
Kategorie: China, ChinesischSchlagworte: Li Bai, Otto Hauser
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Der Nachdichter Otto Hauser schreibt über seine Übersetzung:
“Ich nun trachtete mich möglichst enge an den Wortlaut zu halten, vermied Umschreibungen, wo Li-Tai-Po einer der klarsten und präzisesten Dichter ist und die ältere chinesische Poesie sich überhaupt durch strenge Sachlichkeit kennzeichnet, und behielt auch das Metrum insoweit bei, daß die Zahl der Versfüße stets denen des Originals entspricht, nur daß die chinesischen Verse aus Monopodien bestehn (vgl. S. 27), die ich durch mehrsilbige Füße ersetzen mußte.
Dagegen gab ich die (meist ghaselische) Reimbindung der Originale zugunsten der schlichten paarweisen auf, da mich meine, bis ins Jahr 1900 zurückgehenden Versuche, auch sie beizubehalten, nicht befriedigten.“
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Herzlichen Dank an alle Mitlesenden und ganz speziell die Kommentierenden. Mit eurer Hilfe kann „meine Anthologie“ zu einem Forum für am Austausch über Gedichte Interessierte werden!
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Die Telegram-Übersetzung ist wirklich ergreifend! Danke!
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Originaltext und heutiges Chinesisch z.B. hier: https://m.gushiwen.cn/mingju/juv_034d2d0f8357.aspx
Die Übersetzung ist ziemlich genau. Ich habe versucht, den Fünf-Silben-Rhythmus zu halten. So wird es kurz wie im Original, aber nicht alles kommt mit.
Zum Nordtor hinaus
出自蓟北门行
Feind im Norden steht, fremder Sterne Glanz. Federbrief ein Blitz, Fackeln Tag und Nacht.
虏阵横北荒,胡星耀精芒。羽书速惊电,烽火昼连光。
Tiger, Bambus, los! Wagenwald fährt ab. General steht auf, fasst sein Schwert, denkt weit.
虎竹救边急,戎车森已行。明主不安席,按剑心飞扬。
General prescht vor, Banner auf zur Schlacht. In die Gobi stürmt, Mord zum Himmel schnaubt!
推毂出猛将,连旗登战场。兵威冲绝幕,杀气凌穹苍。
Trupp am Scharlachberg, rote Grenze, Rast. Wintersandsturm droht, Fahne hängt zerfetzt.
列卒赤山下,开营紫塞傍。孟冬风沙紧,旌旗飒凋伤。
Mondlichtmeer, ein Horn. An den Röcken Reif. Klingen köpft Loulan, schießt die Fürsten tot!
画角悲海月,征衣卷天霜。挥刃斩楼兰,弯弓射贤王。
Khane schlagt nieder, Truppen zersprengt! Brief an den Kaiser, singend nach Xianyang.
单于一平荡,种落自奔亡。收功报天子,行歌归咸阳。
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Klabund:
Krieg in der Wüste Gobi
Am Himmel die Plejaden tropfen Blut.
Blut sickert in der Wüste Gobi Sand.
Mit seiner Freundin nicht der Feldherr mehr auf weicher Matte ruht.
Sein Sichelwagen ist mit Schimmeln hell bespannt.
Von Feuer flammen alle Länder.
Eilboten jagen durch die Nacht.
In Fahnen hüllt der Mordrausch sich wie in Gewänder.
Der gelbe Sandsturm wirbelt in die Schlacht.
Fürst Lou-lans Haupt rollt unterm Schwerte.
Der Khane viele traf der Pfeil in Aug und Stirn.
Der Herbstreif fällt in der Soldaten Barte.
Schakale beißen sich um eines Menschen Hirn.
Gleich einem Silberschwarm von Vögeln schwingend,
Erreicht der Sieg den Kaiser in Stafetten.
Soldaten ziehen in die Heimat singend,
Und Frauen knien am Weg wie Statuetten.
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