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Paul Zech
(* 19. Februar 1881 in Briesen, Westpreußen; † 7. September 1946 in Buenos Aires)
Café Auch hier ist alles nur Betrug und Schein: Die Geige lügt, die Kellner gehn gemein. Das Wort noch, in Gesprächen ausgetauscht, macht uns nicht heiß. Wir sind belauscht. Wir haben eine Aristokratie aus uns gemacht, gelenkig unser Knie. Wir wissen von der Nacht nur, daß sie tanzt, nicht, daß sie unsere Existenz zerfranst. Den Bettler vor dem windigen Portal sehn wir nicht an, das Bild ist schal und doch im steten Trotz der Wiederkehr der Spiegel: wie verkalkt sind wir und leer! . . . Da stürzt ein Pferd, der Damm schluckt schwarzes Blut Und niemand hat mehr einen Funken Mut, dem Schmerzgeschmetter das Pistol zu ziehn. Was hilft dies uns, daß wir vor Ekel fliehn? Es stürzen Tausend diese Nacht noch hin, die sich mit Faust und ausgetrotztem Kinn ein Dasein zimmerten. Wofür noch sind wir da? Wir fechten in den Wind. Wir häufen einen Chimborasso von Papier, nicht Waffen und sind immer noch nur vier, nicht Millionen wider diese Zeit. Der Strom der Not wächst bald zu breit. Eh’ nicht ein Wall von Fleisch die Brücke baut –: seid auf der Gasse laut, auf allen Kanzeln zeigt das rote Tuch, durch jede Gurgel müssen wir den Fluch hindonnern: „alte Ordnung stirb !“ . . . . . . ich höre nur Gezirp. Das Herz in unserem Tun gefror. Mit krummen Hörnern stößt der Morgen vor.
Aus: Gedichte des Expressionismus. Hrsg. Dietrich Bode. Stuttgart / Reclam, 1991, S. 86f (1. Aufl. 1966)
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