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Veröffentlicht am 21. Juli 2022 von lyrikzeitung
Hans Fallada
(Rudolf Ditzen, * 21. Juli 1893 in Greifswald; † 5. Februar 1947 in Berlin)
Tagziel Die Bäume johlen mit geschloßnem Mund Sinnlos in eines Autos hingeklirrte Raschheit, Die Luft am Straßenrand pfeift hoch und rund Und ist haarspitz, doch auch von trüber Laschheit. Die Straße ist von Irrsinn längst gepackt Und Angst, sie flieht mit langem Sprung, Sie wird in raschem Strudel neu zerhackt Von runder Räder längst entglittnem Schwung. Der Mann am Steuer fühlt den feinen Staub Wie Maske sich in seine Falten hocken, Sein Antlitz wurde längst der Raschheit Raub Und Hirn ist – halb versiegt – nur stammelnd Stocken. Aus seines Mundes fahlen Winkeln schlingt, Es ringt sich aus den Flügeln seiner Nase Blutregenwurm und wurmt und dringt Der Kehle zu, die glashart von Gerase. Die Straße traf ein Schlagbaum an der Stirn, Sodaß sie totenstill gestreckt nun liegt, Das Auto ruckt und endlich spult das Hirn: „Das Ziel – ich bin der einz'ge, der gesiegt." Ein Weib springt auf das Trittbrett, faßt ihn an. Sie küßt besessen Staub und Haut und Blut, Sie küßt den automatendummen Mann Und fühlt es wild: „Das Blut schmeckt gut"
Aus: Versensporn 32, Rudolf Ditzen. Jena: Edition Poesie schmeckt gut, 2018, S. 19
Kategorie: Deutsch, DeutschlandSchlagworte: Hans Fallada
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