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Vor 60 Jahren, am 17. Mai 1962, wurde Matthias Holst geboren, der sich als Autor/Performer „Matthias“ BAADER Holst nannte. Er wurde nur 28 Jahre alt. Er schrieb, textete, sang und performte in Halle und Ostberlin. Auf dem Rücktitel des von Tom Riebe herausgegebenen Bandes „hinter mauern lauern wir auf uns“ steht über ihn:
Wenn der Wunsch nach angstfreiem geistigen Leben so gewachsen ist, dass er den Raum einnimmt, den sonst Resignation, Furcht oder Zaudern ausfüllen, dann kann eine unverwechselbare Literatur entstehen, die nicht die Anbetung von Schönheit, sondern das Anschreiben gegen den Zerfall des Subjekts zum Ziel hat. Die Texte von „Matthias“ BAADER Holst sind Überlebensrationen, sie sind Auffanglager und Archen für alles Diskriminierte und Ausgestoßene. Das einzigartig Rauschhafte, Schrille und Bedrohliche, das zutiefst Verstörende und doch hochgradig Bezaubernde seiner Wortkaskaden, Metapherngestöber und Assoziationsgeschwader, die ihnen eingeschriebene Verwüstung jeglicher Gewissheit und Ordnung – all dies lässt die Texte … auch heute noch unvermindert lebendig und aktuell erscheinen.
„Matthias“ BAADER Holst
(* 17. Mai 1962 in Quedlinburg; † 30. Juni 1990 in Berlin)
heavy metal/makarenko
acht jahre nach unserer gemeinsamen inhaftierung (hauptquartier golgatha-makarenko: gelitten gestorben auferstanden in den toten eines brennenden kaufhauses: des banats im jahr der panzer und barrikaden an meinem 6. geburtstag dem beginn eines u-boot kriegs zwischen mir und meiner seele der gesellschaft und dem einzelnen im verlies der familie) brach elvira mortadella ein in mein leben war die günderrode einer flasche grubenfusel zum einheitlichen verkaufspreis von 1,17 m eh wir einfuhren uns eingruben die stellung wechselten im sturz: auf den müllhalden der geschichte weiter halstücher trugen feten feierten unterm strich im traum: giftskandale eines sommers der torero werden will und aufgrund von todesangst als kfz-schlosser ausblutet ein bettnässer in carmens armen den hyänen betören: lamborghinis der mohr und die raben von london für eine bigband batistas und die „märchen aus 1001 nacht“ für de sades hyperion hält der sich verliebt in elvira mortadella diese heiraten will aber seinen ahnenpaß vergessen hat: im exil und wir trugen keine mütze im schulhaus unsre kahlgeschorenen köpfe leuchteten jedem freier einer unangemeldeten säuberung: heim
Aus: „Matthias“ BAADER Holst: hinter mauern lauern wir auf uns. Hrsg. Tom Riebe. Halle: Hasenverlag, 2010, S. 37
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