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Der chinesisch-amerikanische Künstler und Dichter Walasse Ting starb heute vor 12 Jahren. Ich besitze eins seiner Bücher mit sehr freien Übersetzungen klassischer chinesischer Gedichte, ich mag es sehr. Der Untertitel des Buches sagt: „63 poems by 33 poets, translated and recomposed by Walasse Ting“. Sie muten ein bisschen wie wörtliche Übersetzungen der fremdartigen Sprache in einer Art Pidgin English an. Das heutige Gedicht ist von Chen Tzu Ang (656-698), andere Schreibweisen des Namens sind Tschön Dsi-ang, Tschen Dsi-ang, Tschën Dsï-ang, Ch’ên Tzu-ang; man findet auch andere Angaben für das Todesjahr. Ich bin nicht zu 100 % sicher, dass es sich um dasselbe Gedicht handelt wie in der deutschen Übertragung, es gibt aber sehr starke Indizien. Also 2 Gedichte oder 2 Fassungen. Interessant finde ich sie beide, aber die Fassung von Walasse Ting spricht mich direkter an, heutiger.
Chen Tzu Ang
I Behind me No ancient people Facing me No future men I stand mountain Look big sky Alone
Aus: Chinese moonlight. 63 poems by 33 poets, translated and recomposed by Walasse Ting. Mit 4 Siegeln und 4 doppelseitigen Farblithographien von Walasse Ting. [American Distributor:] New York, Wittenborn, [1967], S. 26
Tschen Dsi-ang
Als ich den Turm von Yodschou bestieg Ich sah sie nicht mehr, die Weisen vor mir, noch seh ich die Weisen künftiger Zeit. Unendlich das All! – Allein wein ich hier Tränen unendlicher Traurigkeit.
Aus: Chrysanthemen im Spiegel. Klassische chinesische Dichtungen. Aus dem Chinesischen übertragen und nachgedichtet von Ernst Schwarz. Berlin und Weimar: Aufbau, 1976, S. 88
前不見古人,
後不見來者。
念天地之悠悠,
獨愴然而涕下
Chen Zi’ang, 陳子昂
Zur Klärung (mit Google translator): Dieses epische Gedicht ist das repräsentative Werk des Autors, und es ist auch ein berühmtes Stück Tang-Poesie, das im Laufe der Jahrhunderte weitergegeben wurde. Das kurze Gedicht bringt die Einsamkeit und Traurigkeit des Autors aufgrund seines unzeitgemäßen Lebens und seines unterschätzten Talents zutiefst zum Ausdruck.
Youzhou-Terrasse: Auch als Jibei-Turm bekannt, befindet sich der Standort im heutigen Peking.
Paraphrase:
Die Weisen der Antike, die waren tugendhaft,
Ich konnte sie nicht persönlich treffen;
zukünftige weise Könige,
Ich habe sie noch nicht sehen können.
Wenn ich an diese Weite von Himmel und Erde denke,
Die Zukunft kommt, die Vergangenheit geht.
Ich bin allein und einsam,
Kann die traurigen Tränen nicht zurückhalten, die direkt nach unten fallen!
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