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Gestern hatte noch ein anderer Dichter 100. Geburtstag, der Italiener Andrea Zanzotto. Sein Werk erschien Sein Werk erschien auf Deutsch in einer mehrbändigen Ausgabe bei Urs Engeler und Folio (die Gedichte zweisprachig). Hier ein Gedicht und eine poetologische Notiz.
Andrea Zanzotto
(* 10. Oktober 1921 in Pieve di Soligo; † 18. Oktober 2011 in Conegliano)
MÖGLICHE BEGINNE BESSERUNGEN ODER SCHLÜSSE III In einem einheitlichen Satz verwirrt mein bester Baustein, meine Furcht, sich mit dem Helden. Mit dem Himmel, Himalaya. Wer weiß welche Schätze ich zu schleppen glaubte und mir Angst und Bang um sie erlaubte, ich weiß nicht was mir beisteht im Gedränge Handgemenge um dann zu sausen ins Sagen; lohnt mich dafür ihr Dinge und ihr Undinge dass ich Beseelung in eurem Austauschen vermute, für so viel Lauern Lauschen, die euch gewährte Möglichkeit zu reimen und zu klingen; man hat euch hoch hinauf gepusht zu Bergen aufgestapelt Lebensmittel Zaubersprüche. Grausig fratzenhaft und brückenjenseits (fabeljenseits mythenjenseits). So verschlossen allen Unterschieden bin ich wehrlos vor dem letzten Unterschied wie nie zuvor ich wende Salz in einer Schale: ratlos: das Granulat das Glänzen das ich aus allem schöpfte — und dennoch trotzdem – — vielleicht, aber, so — diesen Saum der Stille fabriziere
IIl In un’omogenea tesi l’elemento mio migliore, la paura, si confonde all’eroe. Al cielo, a lassù. Chissà che tesori credetti portare e lecita per essi la più fifante fifa, non so che mi sostenga a tanta riffa a tanta zuffa per poi sfuggire in dire; premiatemi cose e non cose per l’animazione sospettata nei vostri conversari, per tanto appostamento auscultazione, per avervi messe in agio di ritmari e rimari; all’altezza là vi s’induceva vi si faceva monte proteso vivanda vaticinio. Canagliescamente accanitamente oltreponte (oltrefavole oltremiti). Ora che chiuso alle distinzioni sono più inerme che mai alla distinzione finale rivolgo il sale nella ciotola: perplesso: il granularne il lucore che dedussi da tutto — malgrado tutto nonostante — — forse, benché, così — produco questa quiete marginale.
Aus: Andrea Zanzotto, La Beltà / Pracht. Gedichte Italienisch Deutsch mit einem Nachwort der Übersetzer. Hrsg./Übers. Donatella Capaldi, Maria Fehringer, Ludwig Paulmichl und Peter Waterhouse. Band I. S. 47 / 65.
Es geht darum, die Oberfläche der Sprache zu ritzen, Schnitte, Kratzer zu hinterlassen, sich darin zu versenken — nicht die Sprache zu benutzen. Diese Haltung konkretisiert sich oft in der Beziehung zum sprichwörtlichen «weißen Blatt», das wie allseits bekannt auch die Rückseite einer Straßenbahnfahrkarte, der Beipackzettel einer Arznei oder irgendein Stück Papier sein kann, das man in die Finger bekommt. Bei der Dichtung hat man es mit etwas jenseits und außerhalb des Schreibens zu tun. Der echte Nullpunkt, der «unbestimmte» Punkt des Schreibens ist vielleicht der, der in der Dichtung durchscheint, der uns in Form der Dichtung Angst macht, auch wenn sie auf den ersten Blick mehr mit der Freude, mit dem Glück des Schreibens zu tun hat (das auch immer, sobald es möglich ist, die Oberhand gewinnt). Und das alles schließt das Vorhandensein eines manchmal im Überschuss vorhandenen handwerklichen Könnens nicht aus.
Andrea Zanzotto, Die Welt ist einer andere. Poetik. Engeler e Folio (Planet Beltà Bd. IV) Übersetzt von Karin Fleischanderl. S. 85
sehr schön! danke fürs teilen.
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