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Veröffentlicht am 6. September 2021 von lyrikzeitung
Cyrus Atabay
(* 6. September 1929 in Teheran; † 26. Januar 1996 in München)
Aus: Notizen
1
Was für ein Geschäft ich treibe?
Ich handle mit zerrissenen
Büchern.
Und lebe vom Gutglück.
2
Ich habe es weit gebracht:
ich brauche weniger Schlaf
als ein Vogel,
sehe hundert Tagereisen weit
und höre die Spinnen weben.
3
Als ich lesen lernte,
warf mir mein Engel
Süßigkeiten aufs Alphabet,
später desertierte er,
mein Unglück
gibt sich nicht mit Kleinigkeiten ab.
Der Teufel holte meinen Gaul
(so nehm’ er auch den Zaum),
zugrunde gerichtet bin ich doch.
4
So viele unbegangene Wege,
so viele Möglichkeiten,
in den neugesetzten Segeln
spiegelt sich der Morgen.
Herrlich ist diese Kette
von Ungereimtheiten.
6
Eure Angst fordert
Garantien und Perfektionen,
wo Unsicherheit
unsere Wahrheit ist.
Bedenkt auch,
daß beim Bau eines Hauses
ein Fleck, der Tür gegenüber,
unausgebaut bleiben muß.
7
Im Sinne des Polizeiministers
bin ich schwach und unzuverlässig.
Doch es fehlt an Baumeistern,
denen was einfällt.
(An diesem Tage lasen wir keine Zeile mehr. 1974. Aus: Cyrus Atabay, Gedichte. Frankfurt/Main, Leipzig: Insel, 1991, S. 82ff)
Kategorie: Deutsch, Deutschland, IranSchlagworte: Cyrus Atabay
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