Als der Krieg in den Freudenort kam

Sibylla Schwarz

(24. Februar 1621 Greifswald – 10. August 1638 Greifswald)

Chor der Schäfer und Hirten

[aus Trawer=Spiel / Wegen einäscherung jhres Freudenorts Fretow]

UNsren alten Schäfer Stab
Legen wir mit Schmertzen ab ;
Ach der gar zu grossen Noht !
Unser Vieh ist meist schon todt.
Ach der schönen Schaffe Schar !
Ach jhr warm und weiches Haar !
Aber doch das höchste Weh
Macht uns unser Galateh.
Ach das schönste Schäffer Kindt !
Ach das schönste / das man findt !
Das / und unser altes Landt
Jst nunmehr in fremder Handt
Was wir haben ausgestreut /
Wird von andern abgemeyt .
Unsre Kelber sprungen woll ;
Unsre Scheunen wahren voll ;
Unsre Fercklein nahmen zu ;
Mager war nicht eine Kuh ;
Unsre hüner legten sehr ;
Ach der nun zu Fretow wehr ?
Elend gehts hier in der Stadt /
Wird man doch fast kein mal satt !
Was bey uns war guht und recht /
Das ist hier zu plump und schlecht !
Hier ist Treu und Redligkeit
Hier ist Lieb und Glauben weit !
Hier ist Trug und arge List /
Die bey uns gar frembd noch ist !
Nein / uns ist viel baß zu Muht /
Wenn wir sind auf unsrem Guht.
Hier ist alles stoltz und groß /
Hasen / Wildbrät gilt hier blos.
Da hergegen loben wir
Einen Kohl / ein gut warm Bier /
Einen Knapkäs und ein Ey
Jst bey uns der beste Brey
Käs und Butter / Milch und Fisch /
Fetter Speck auff unserm Tisch
Deucht uns besser als Confect /
Der in Städten lieblich schmeckt.
Für den Wein und Malvasier
Loben wir Covent und Bier.
Wir verachten die Pocal /
Und die Gläser allzumahl ;
Eine feine Hültzern Kan
Steht uns noch viel besser an ;
Ach wie weit ist doch der Tag /
Daß man dich umbfangen mag !
Fretow allerliebster Ort
Fretow / brent nun fort und fort !
Fretow / da der Schäfer Schar
Altzeit wol gelitten war !
Ach das wol bebaute Landt
Jst nunmehr in frembder Handt.
Nirgends war so schön Getreid /
Nirgends war so schöne Weyd /
Nirgens war das liebe Vieh
So vergnügt als eben hie /
Da der schöne Quell entspringt /
Da so mancher Vogel singt /
Da die schöne Nachtigahl
Lieblich ruft durch Berg und Thal /
Da wir auch auff unsrer Fleüt
Spielen pflegten vor der Zeit /
Da die Echo ruffen pflegt /
Da man reiffes Obst abschlegt /
Da man alles finden pflag /
Was ein Schäfer wündschen mag !
Nun ist alle Lust gethan /
Nichts ist das erfrewen kan /
Darumb müssen wir in Leidt
Schliessen unsre junge Zeit. ¶

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