Jungfern-Glück

Sidonia Hedwig Zäunemann ging nicht ins Kloster, ihr Gedicht spricht nur davon. Es beschreibt, wie nur die Unverheirateten von Unterdrückung und Schlägen durch Männer frei sein können. Sie selber hatte durchaus „Glück“, sie durfte unverheiratet im Haus ihrer Eltern in Erfurt leben und sich dem Schreiben widmen. 1738 erfuhr sie öffentliche Anerkennung, als sie durch die Göttinger Universität zur kaiserlichen Poetin gekrönt wurde. Danach konnte sie noch zwei Gedichtbücher veröffentlichen, bevor sie mit nicht einmal 30 Jahren an einem Unfall starb.

(* 15. Januar 1711 in Erfurt; † 11. Dezember 1740 bei Plaue)

JUNGFERN-GLÜCK

Niemand schwatze mir vom Lieben und von Hochzeitsmachen vor,
Cypripors Gesang und Liedern weyh ich weder Mund noch Ohr.
Ich erwehl zu meiner Lust eine Cutt*- und Nonnen-Mütze,
Da ich mich in Einsamkeit wieder manches lästern schütze.
Ich will lieber Sauer-Kraut und die ungeschmeltzten Rüben
In dem Kloster vor das Fleisch in dem Ehstands-Hause lieben.
Mein Vergnügen sey das Chor, wo ich sing und beten tuhe,
Denn dasselbe wirkt und schafft mir die wahre Seelen-Ruhe.
Will mir den gefaßten Schluß weder Mann noch Jüngling glauben,
Immerhin, es wird die Zeit euch doch diesen Zweifel rauben.
Geht nur hin, und sucht mit Fleiß Amors Pfeile, Amors Waffen
Und geberdet euch darbey als wie die verliebten Affen!
Dorten stund in einem Carmen** auf den Herrn von Obernütz:
Kriegt das schöne Jungfern-Röckgen einen Flecken, Ritz und Schlitz,
So muß auch der Jungfern Glück und die edle Freyheit weichen,
Und dargegen sucht die Angst sich gar eilend einzuschleichen.
Dieser Vers hat recht gesagt, Jungfern können kühnlich lachen;
Dahingegen manches Weib sich muß Angst und Sorge machen.
Kriegt die Noth durch Gegen-Mittel eine Lindrung und ein Loch,
Ey, so währt es doch nicht lange, und man schauet immer noch
Eben so viel Bitterkeit als in Erfurt Mannes Krausen,
Leid und Trübsal, Gram und Pein will die armen Weiber zausen.
Kriegt ein Weib von ihrem Mann manchen Tag ein Dutzend Mäulgen***,
Ey! so sagt, was folgt darauf? Über gar ein kleines Weilgen
Brennt des Mannes Zorn wie Feuer, und er schwöret beym Parnaß:
Frau! ich werde dich noch prügeln, oder stecke dich ins Faß.
Dieser Weiber Noth und Pein will ich mich bey Zeit entschlagen,
Denn so darf kein Herzens-Wurm jemahls meine Seele nagen.
Drum so sag ich noch einmahl; Gute Nacht, du Scherz und Küssen,
Ich will deine Eitelkeit bis in meine Gruft vermissen.

  • Cutt = Kutte, also Nonnenkleidung
    ** Carmen = Lied;
    *** Mäulgen = Küsse

Aus: Deutsche Dichterinnen vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Hrsg. u. eingeleitet von Gabriele Brinker-Gabler. Frankfurt/Main: S. Fischer, 1978, S. 127

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