Das Archiv der Lyriknachrichten | Seit 2001 im Netz | News that stays news
Veröffentlicht am 22. September 2019 von lyrikzeitung
Jehuda Amichai
(hebräisch יהודה עמיחי)
(* 3. Mai 1924 in Würzburg; † 22. September 2000 in Jerusalem)
Knospen
Ich stieg auf das Dach des weißen Hauses
Um zu sehen, was war
Und mich zu erinnern an die, die hier starben.
Zwischen den Eukalyptusbäumen und den Orangenhainen
Und den gelben Dünen.
Die meisten Menschen leben weiter
Nach ihrer ersten Liebe
Und die meisten Menschen überleben
Ihren ersten Krieg.
Ich habe zum Gedenken einen Hut aufgesetzt
Und in meinen Kopf wurde alles eingeschlossen.
Ich nahm den Hut zum Gedenken ab
Und meine Gedanken flogen in alle Winde
Wie Samen, die nicht aufgenommen werden.
Dann stieg ich hinunter vom Dach
Und setzte mich in das Haus, und um die Mittagszeit
Hörte ich die Geschichte vom Mut und vom Tod
Der Miri Ben-Ari, ihr Name
Ist klar wie eine Vogelstimme, und die Geschichte ihres Todes
Ist wie der Flug eines Vogels.
Aus dem Hebräischen von Alisa Stadler
Aus: Jehuda Amichai: Auch eine Faust war einmal eine offene Hand. Gedichte. München, Zürich: Piper, 1994, S. 16
Kategorie: Hebräisch, IsraelSchlagworte: Alisa Stadler, Jehuda Amichai
Kann zu diesem Blog derzeit keine Informationen laden.
Neueste Kommentare