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[Juan Andrés] García Román wohnt derzeit für zwei Monate als Stipendiat der Villa Waldberta in Feldafing; das Instituto Cervantes hilft ihm dabei, sich mit der Münchner Literatur-Szene zu vernetzen. Nach jenem ersten Abend mit Marquardt wird der spanische Lyriker in dieser Woche auch noch auf einen Altmeister der Dichtkunst treffen: Mit Tausendsassa Michael Krüger wird er über „die Verständigung zwischen Worten und Zeilen“ sprechen. Das hat einen tieferen Sinn, denn García Román hat einen Gedichtband Krügers ins Spanische übersetzt, wie zuvor bereits Lyrik von Rilke und Hölderlin bis zu Arne Rautenberg.
Außerdem schreibt García Román selbst Gedichte, die ihm in seiner Heimat bereits den Ruf eingebracht haben, einen frischen Wind in die neuere spanische Lyrik zu bringen; seine Poesie gehe, so schrieb ein Schriftstellerkollege, „eine Ehe zwischen elegischem Bewusstsein und Surrealismus“ ein. Etwas heruntergebrochen bedeutet dies wohl, dass man nicht alles, was der junge Dichter schreibt, unmittelbar versteht, dass es aber irgendwie gut klingt. Und das ist ja schon einmal keine schlechte Voraussetzung für Erfolg.
García Román jedenfalls erzählt im Gespräch mit Marquardt, dass er zu Beginn seines Schreibens noch eine Art „Gesamtkunstwerk“ im Sinn hatte. Inzwischen ist er etwas abgeklärter, von der Moderne in vielerlei Hinsicht enttäuscht. Hierin trifft er sich mit Marquardt, der dem Wort und der Bedeutung misstraut und – zum Beispiel im Band „Das amortisiert sich nicht“ – bewusst Texte schreibt, „die nach Gedichten aussehen, aber nicht den Regeln folgen“; Texte, in denen der visuelle Aspekt, die Anordnung der Worte in Blöcken, genauso wichtig ist wie der Klang.
Sind sich die beiden Dichter in ihrem Versuch, ihre Texte gegenseitig zu deuten, noch einigermaßen einig, liegen sie in ihrer Einschätzung der jeweiligen Literaturszene jedoch weit auseinander. García Román ist höchst pessimistisch, was die Lage der Gegenwartslyrik angeht – Tristan Marquardt dagegen ist sehr optimistisch. „In Spanien liest wegen der Krise keiner mehr“, beklagt García Román; die Lyriker, der wichtigen Unterstützung des Staates beraubt, seien sozusagen „Waisen“. Außerdem liege alle Macht in den Händen der heute 50- bis 60-Jährigen; die junge Generation begehre zwar dagegen auf, habe jedoch intellektuell selbst nicht viel zu bieten.
Dem kann Marquardt einiges an Hoffnung entgegensetzen. In den Neunzigerjahren habe es die Lyrik hierzulande ebenfalls schwer gehabt, erzählt er, die heutige Generation mittleren Alters habe alles selbst in die Hand nehmen müssen. Von denen hätten Nachwuchs-Lyriker wie er gelernt: „Es gibt viel, was du machen kannst, du musst es nur selbst machen!“ Deshalb warten er und seine Kollegen auch nicht lange auf einen Staat oder andere Institutionen, sondern handeln. Und, das ist das Neueste daran, sie handeln sogar in München. Bisher habe gegolten, dass 90Prozent der publizierenden Lyriker in Berlin leben, sagt Marquart, weitere fünf Prozent in Leipzig und fünf im restlichen Deutschland. Da sich in Berlin inzwischen alle Kreativen gegenseitig auf die Füße treten, geht der Trend jedoch allmählich wieder in die Richtung ebenjener Städte, die der in Granada lebende García Román unvorsichtigerweise „Provinz“ nennt. / Antje Weber, Süddeutsche 19.2. (München, S. 60)
(…)
Lyrikgespräch: Juan Andrés García Román und Michael Krüger, Fr., 20. Feb., 19.30 Uhr, Instituto Cervantes, Alfons-Goppel-Str. 7; Was kann eine junge Lyrik-Bühne?, Sa., 21. Feb., 20 Uhr, Lyrik Kabinett, Amalienstr. 83a
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