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Hellmuth Opitz schreibt auf Fixpoetry über den Essayisten
Es sind wertvolle Bestandsaufnahmen, die nicht nur die Beletage der feuilletongeherzten und preisgekrönten Dichter und Dichterinnen im Auge haben, sondern vor allem den „lyrischen Mittelstand“ (nicht zu verwechseln mit Mittelmaß!) mit seinen versteckten und unterschätzten Qualitäten kenntnisreich beleuchten. Breuer lässt sich dabei gar nicht erst auf Grabenkämpfe zwischen Lyrik-Realos und –Fundis ein, die in letzter Zeit wieder aufgeflammt sind. Bei aller Klarheit seines kritischen Urteils kennzeichnet diese Essays darüber hinaus eine bemerkenswerte Fairness und Akzeptanz der lyrischen Vielstimmigkeit.
und den Lyriker
Breuer versteht seine Gedichte als Durchlauferhitzer für lyrische Einflüsse und sich selbst als Jongleur und Equilibrist, der sein Sprachmaterial spielerisch und mit hoher Artistik durch die Luft wirbelt. Währenddessen ein Nicken und Grüßen nach allen Seiten. Selbst das Nachwort zerfällt in stilistisch unterschiedliche Teile, wobei der erste Part den assoziativen Flow sehr verkrampft vorführt. Vielleicht passt ein anderes Bild besser zu Breuer: Er ist ein ungeheuer kenntnisreicher Anreger und Vermittler, seine Gedichte haben indes keinen Ort, es sind kommunizierende Röhren zwischen Anverwandlungen, Zitaten und lyrischen Stilen. Es fehlt ihnen ein Kern: eine eigene poetische Stimme. Nicht dass er sie nicht hätte, er scheint nur seinen Auftrag anders zu verstehen. Dennoch bietet „Das gewonnene Alphabet“ eine hoch spannende Leseerfahrung: Man erlebt 121 Seiten Sprachlust und Experimentierfreude, man erlebt aber auch, wie irritierend es sein kann, wenn der Kenner dem Könner permanent ins Handwerk pfuscht.
Theo Breuer: Das gewonnene Alphabet 121 Seiten, 12,- EUR ISBN 978-3-86356-039-3. Pop Verlag, Ludwigsburg 2012
Eine hoch spannende Leseerfahrung? Ja! Aber keine eigene poetische Stimme? Theo Breuers eigene poetische Stimme in „Das gewonnene Alphabet“ ist doch gerade seine hohe Sprachartistik.
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Wer sich heute mit aktueller Lyrik befasst, begegnet immer wieder einmal Theo Breuer. Der Essay von Hellmuth Opitz vermittelt kompetent und kenntnisreich aber auch kritisch Breuers Pflügen dieses steinigen Ackers. Dafür ist ihm zu danken. Als Nebenprodukt fällt dabei ein Hinweis auf den großen Lyriker von europäischem Rang – wie die Zeit einst schrieb – , nämlich Michael Hamburger ab, dem Breuer das zitierte Gedicht „Der Garten Das Haus Der Tisch“ widmete. Hamburger gerät heute – zu unrecht – mehr und mehr in Vergessenheit.
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