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Arno Holz hat Recht gehabt. So fanden er und seine Schüler den Ton für das neue Zeitalter von Industrie, Technik, Geschäftigkeit. Mancher Text liest sich wie eine Glosse auf die neue Welt der Angestellten und zur Karriere Verdammten. Viele Texte aber beschäftigen sich auch mit Liebe, Verlust, den verstörenden Erfahrungen mit Partnerschaften, mit Armut, Krankheit, Flucht und dem Bewusstwerden der Vergänglichkeit. Etliche Themen tauchen in den Sammlungen immer wieder auf, erzählen davon, wie sich die Männer intensiv mit den von Holz gesetzten oder selbst ausgewählten Themen beschäftigten.
Natürlich irritiert der Buchtitel, der auf den von Stolzenberg flapsig gewählten Namen für das Schreibprojekt „Regiment Sassenbach“ zurückgeht – Sassenbach nach dem gemeinsamen Verlag, in dem die Gedichtbände erschienen. Und befehlen ließen sich die eigentlich erwachsenen Männer von Holz auch nichts – im Gegenteil: Sie waren begeistert und arbeiteten intensiv in der Dachwerkstatt. Sie fühlten sich nicht – wie später die Adepten von Stefan George – als „Jünger“. So wenig wie sich Holz als Prophet betrachtete.
Und dass sie von der völlig das Eigentliche verfehlenden Kritik zutiefst verletzt waren, zeigt eigentlich das Verstummen der Gruppe. Die Zeit der literarischen Revolutionen in Deutschland war noch nicht gekommen. In einem ausführlichen Essay geht Wohlleben auf die Entstehung der Gedichtbände und die Folgen ein. Auch auf die bis in jüngere Zeit fortdauernde seltsame Verachtung deutscher Literaturpäpste für die ungebundene Form. Was auch die Fortschreibungen der über 100 Jahre alten Etikettierungen der fünf hier gewürdigten Dichter betrifft. Einer schreibt vom anderen ab, Naserümpfen wird zu Kopistenstolz.
Dabei gehören viele dieser scheinbar so schmucklosen Texte zum Dichtesten und Schönsten, was seit anno 1870 in Deutschland an Lyrik geschrieben wurde. Manches würde durchaus auch in Schulbücher gehören, wenn Kinder ein Gefühl dafür bekommen sollen, was ein Gedicht sein kann. Es geht dabei nicht um die Form. Es geht immer um Inhalt und die verdichtete, ins Erkennbare geschärfte Sprache. / Ralf Julke, Leipziger Internet-Zeitung
Antreten zum Dichten
Robert Wohlleben, Reinecke & Voß 2013, 13,00 Euro
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