50. „Die eigene Rede des anderen …“

Unter der Leitfrage „Gibt es ein Gedicht, das einen so über die Maßen mitgenommen hat, dass man es im Kopf immer bei sich trägt, das einen nicht in Ruhe lässt?“ haben Jürgen Krätzer und Kerstin Preiwuß in „Dichter über Dichter“ eine „Privatgalerie poetologischer (Selbst)Auskünfte“ zusammengetragen. Mit dem Hölderlin entlehnten Motto „Die eigene Rede des anderen …“ im Titel bietet der Band eine kleine Schule der zeitgenössischen Gedichtlektüre. Poetenpaarweise geht es 22-mal quer durch den lyrischen Gemüsegarten, fast immer mit einer Replik desjenigen dem die Hommage zuteil geworden ist. Vom weiterschreibenden Remix, den Kathrin Schmidt Marion Poschmann widmet, bis zu Norbert Langes Leseanleitung von Richard Duraj, von der Anverwandlung also bis zum empathischen Metatext, werden hier Gedichte aufgeschlossen.

Bei Durajs „in the shell“ ist der Hinweis, dass sich hinter seiner typografischen Schreckgestalt die Pac-Man-Feinde Blinky, Pinky, Inky und Clyde verstecken, elementar, und ohne Katja Lange-Müllers Erinnerung an die brandenburgische Lungenheilstätte, die Uwe Kolbes gleichnamiges „Sommerfeld“ evoziert, verstünde man nur die Hälfte. Doch fast alle Texte vermitteln über solche Interpretationshilfen hinaus eine ansteckende Begeisterung. Man höre nur, mit welcher Insistenz Lutz Seiler eine Zeile von Jörg Schieke wiederholt: „du willst dich weit aus dieser gegend beugen“ – und man hätte selber gerne einen solchen Wurm im Ohr. Wenn diese Dialoge überwiegend junger bis jüngster Dichter eines schaffen, dann ist es das Vermögen, etwas von den Reizen zu vermitteln, die Gedichte aussenden und jeden neu anfliegen müssen: zur rechten Zeit, am rechten Ort – und mit der Fähigkeit, jeden „Verdacht auf veredeltes Gekritzel“ (Mara Genschel) zu zerstreuen. / Gregor Dotzauer, Tagesspiegel

„Horen“ (Nr. 246, Wallstein Verlag, 280 S., 16,50 €)

One Comment on “50. „Die eigene Rede des anderen …“

  1. Besuchen Sie die Veranstaltung am 25. 09. 2012 um 19.30 im
    Künstlerhaus Hannover, Sophienstraße 2

    „Die eigene Rede des anderen“
    (nach Hölderlin, Die Wanderung)
    Dichter über Dichter

    Gibt es ein Gedicht, das einen so über die Maßen mitgenommen hat, dass man es im Kopf immer bei sich trägt, das einen verstört,zur Verzweiflung bringt, von dem man heimlich besessen ist, auf das man gar mit Neid blickt? Welches Gedicht eines anderen hat einen begleitet, zum Immerwiederlesen aufgefordert? Oder aber: Welches Gedicht aus jüngerer Zeit schaffte es, einen so zum Staunen zu bringen, dass man unbedingt darauf aufmerksam machen
    möchte?
    Die horen luden ein zu einem Dichtertreffen der besonderen Art: zur „Wanderung“ mit dem Gedicht, zum Sprechen über Gedichte, zur ganz persönlichen Aussage über das Gedicht eines anderen. Gleichzeitig baten sie die Anzitierten, auf die Essays zu Ihrem Gedicht zu reagieren, so dass ein Gespräch zwischen den´Zeilen entstand….“

    Im Gespräch sind
    Martina Hefter, Leipzig, und Ann Cotten, Berlin.
    Norbert Hummelt, Berlin, und Nadja Küchenmeister, Berlin.
    Moderation: Dr. Jürgen Krätzer, Leipzig, Herausgeber der Literaturzeitschrift „die horen“.

    Die Texte sind der Literaturzeitschrift „die horen“ Band 246 entnommen, erschienen im August 2012 im Wallstein Verlag, Göttingen.

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