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Veröffentlicht am 1. Juni 2010 von lyrikzeitung
Höchst anregend ist, was Eisenreich zur Entstehung einiger Gedichte berichtet, etwa zu „Benedicta“. Als sie Celan eine gerade erstandene Schallplatte mit jiddischen Volksliedern vorspielte, blieb die Nadel hängen, so dass sich der Satz „´s mus asoj sajn“ immerfort wiederholte. Dieser Satz war die Antwort auf die im Lied an Gott im Himmel gestellte Frage: Darf das so sein? Celan lag auf dem Sofa und lauschte.
„Benedicta“ ist die Frage vorangestellt: „Zu ken men aroifgejn in himel arajn / Un fregn baj got zu´s darf asoj sajn?“ Die dritte Strophe lautet: „Du, die du´s hörtest, da ich die Augen schloss, wie / die Stimme nicht weitersang nach: / ´s mus asoj sajn“.
Ein mechanischer Zwischenfall wie dieser, so erklärte ihr Celan, sei für ihn ein geheimes Zeichen. Der Vorgang zeigt anschaulich, wie unmittelbar dichterisches Gespür der „gelebten Wirklichkeit“ die treffende „poetische Wendung“ zu entnehmen vermag.
In seiner großartigen Celan-Biographie widmet John Felstiner diesem Gedicht fast drei Seiten. Er fragt: Wer ist das „du“ darin? Hans Mayer, so Felstiner, habe vermutet, dass es sich um ein Liebesgedicht handele. / RENATE WIGGERSHAUS, FR 29.5.
Brigitta Eisenreich: Celans Kreidestern. Suhrkamp Verlag, Berlin 2010, 266 Seiten, 22,80 Euro.
Kategorie: Deutsch, FrankreichSchlagworte: Brigitta Eisenreich, Hans Mayer, John Felstiner, Paul Celan, Renate Wiggershaus
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