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Waterhouse: Vielleicht unterscheidet man zu sehr zwischen Verständnis und Missverständnis. Als ob das Gegensätze wären. Vielleicht kann man es ja auch so sehen, dass das Missverständnis eine Nuance des Verstehens ist. Nicht das ganz andere, sondern sehr nahe. Das Verstehen ist nicht eindeutig nur das Verstehen – und das Missverständnis ist auch eine gemischte Form, die zum Teil aus Verstehen und Nichtverstehen, Missverstehen, Verstellung sich zusammensetzt. Ich sage es mal am Beispiel einer Übersetzung, die Paul Celan gemacht hat von einem portugiesischen Gedicht.
Standard: Ein Gedicht von Fernando Pessoa …?
Waterhouse: Im Grunde ist es von Fernando Pessoa, in diesem Fall aber von einem der Pseudonym-Autoren, von Alberto Caeiro. In der deutschen Übersetzung hat das Gedicht einen Titel – und in der portugiesischen Version hat es keinen. Der Titel in der deutschen Version lautet: Aus den zusammenhanglosen Gedichten. Von Fernando Pessoa aber gibt es keinen Zyklus mit dem Titel Zusammenhanglose Gedichte. Auch dieser Titel Zusammenhanglose Gedichte: Da ist etwas paradox. Wenn ein Zyklus von Gedichten Zusammenhanglose Gedichte heißt, haben sie ja dadurch einen Zusammenhang bekommen. Da, glaube ich, ist das Missverstehen gefragt. In solchen Phänomenen, wo eine Satzaussage in sich das Gegenteil enthält. Solche Sätze bieten sich an, nicht in binären Systemen zu denken. Entweder – oder. Und da, glaube ich, berührt sich diese Gedankenfolge mit dem Thema der Demokratie. / Der Standard 19.8.
Peter Waterhouse spricht am Freitag, um 19.30 Uhr, in Pernegg im Waldviertel.
19.30 Vortrag und Gespräch Peter Waterhouse zum Thema „Der Wert der Missverständnisse“.
Neu von Peter Waterhouse
Vier Bücher, die Peter Waterhouse übersetzt oder herausgegeben hat, erscheinen in den kommenden Wochen in neuen Ausgaben. Sie alle waren zuletzt vergriffen. Übersetzungen stehen im Schaffen des Autors gleichberechtigt neben eigenen Prosawerken, Essays, Theaterstücken und Gedichten.
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