Ende des Gedichts

Karl Krolow 

(* 11. März 1915 in Hannover; † 21. Juni 1999 in Darmstadt)

ENDE DES GEDICHTS

Langsam durch Fleisch und Bein
Steigt mein Gesicht,
Wächst in die Nacht hinein
Mit dem Gedicht.
Schweiß frißt an meiner Haut,
Da schon das Haar ergraut.

Speichel des Kuckucks troff
Mir in den Bart,
Schmolz dunklen Erdenstoff
Schmerzlos und zart.
Wind hüllt’ mit Wohlgeruch
Mich in sein Totentuch.

Roter Melonenschlitz
Klafft mir als Mund,
Leuchtet wie ferner Blitz
Aus feuchtem Grund, 
Öffnet sich schwerem Wort,
Trägt’s als Entzücken fort.

Fallen die Augen ein,
Blind längst vom Trug,
Bleib ich als Widerschein
Dem All genug.
Reim sank wie Taubenflaum
Hin unterm Sternenbaum.

Aus: Karl Krolow: Heimsuchung. Berlin: Volk und Welt, 1948, S. 40

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