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Veröffentlicht am 1. September 2022 von lyrikzeitung
Michał Sobol
GERICHTE In jedem von uns fließen ein paar Tropfen schwarzes Blut, und das Gericht spürt sie auf. In der Verhandlung gähnen wir heimlich, damit das Rasseln der Kette die Geschworenen nicht vom Prozeß ablenkt, oder betrachten stumm unsere hologrammartigen Spiegelbilder auf der Scheibe aus Plexiglas. Die Gerichte durchleuchten alles für uns. Manch einer merkt nicht einmal, wo die Grenze verläuft zwischen Gericht und Friseursalon — gut möglich, daß es gar keine gibt. In der Zelle wartet auf jeden von uns ein Handtuch und ein Stück Seife.
Aus dem Polnischen von Bernhard Hartmann, aus: Sinn und Form 5/2022, S. 590
Kategorie: Polen, PolnischSchlagworte: Bernhard Hartmann, Michał Sobol
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