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Oskar Loerke
(* 13. März 1884 in Jungen bei Schwetz, heute Wiąg, Westpreußen; † 24. Februar 1941 in Berlin)
ABEND AUF DER TERRASSE VON SAINT CLOUD Bang ists, — als stände wer gebeugt auf unsre Erde;--- Verhüllt sein Leib von Städten, Strömen, Moor und Lehm, Sein Haupt von stürmevollem Wolkendiadem, Und nur die Arme, wie mit brünstiger Gebärde Am Horizont entlanggebreitet, sieht man fahl Durch goldnen Rauch. Und aus den Höhen in das Tal Geht seine Stimme. Um die Lippen spielt der Qualm! Der leuchtet feurig, bricht durch ihn des Riesen Psalm. Von ängstend großer Liebe bebend ruft er dies Auf eine Stadt: Ma Sœur! - ma Sœur! — ma Sœur! Dort unten liegt, ein graues Steingetürm, Paris, In Dunst bis zu den Nebelburgen Sacré Cœur. Und Jemand wartet, - atmet mit profundem Zuge.--- Da fliegt dicht neben mir ein Abendvogel aus, Deckt zu das Pantheon und Unsrer Dame Haus, Ob er gleich klein ist. Denn er wächst an seinem Fluge Und Wurfe aus des Westens in des Nordens Schein. Schon scheint er mehr als unter ihm die Stadt zu sein. Weil die geheimnisvolle Brunst aus Wolkenqualm Sich an ihn drängt und jenes dunklen Riesen Psalm, Vor Liebe graunvoll, ihm nur jauchzt. Ich höre dies Wie innern Sturm: Ma Sœur! - ma Sœur! — ma Sœur! Jemand verwarf für einen Vogelflug Paris. Nacht schluckt den weißen Marterberg um Sacré Cœur.
Aus Wanderschaft (1911), in: Oskar Loerke: Die Gedichte. suhrkamp taschenbuch 1049, 1984, S. 33
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