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Sibylla Schwarz
(* 14. Februar alten, 24. Februar neuen Stils 1621 in Greifswald; † 31. Juli alten, 10. August neuen Stils 1638 ebenda)
Die Greifswalder Bürgermeistertochter Sibylla Schwarz starb heute vor 381 Jahren, 17 Jahre, 6 Monate und 17 Tage alt. In ihrer Heimat Pommern schrieb man den 31. Juli nach dem damals in den meisten evangelischen Ländern noch gültigen julianischen Kalender, für die kalendarisch progressiven Katholiken war es schon der 10. August. Laut Mitteilung Christoph Hagens, der ihre Leichenpredigt hielt, habe sie „kurtz vor jhrer decumbentz [Bettlägerigkeit] vnd Schwachheit / noch ein Buß= vnd ein SterbLied gemachet / vnd mit eigner Handt in ein Buch geschrieben“. Hier eins ihrer vier Kirchenlieder in der Originalfassung der Buchausgabe von 1650. Als einziges ihrer Lieder wurde es in einem Gesangbuch gedruckt, in der Altdorffischen Liedertafel, Ausgaben 1701 und 1718, unter Kranken-, Sterb- und Begräbnislieder.
Das Gedicht ist in sechszeiligen Strophen geschrieben. Strophen wurden nach damals verbreiteter Konvention nicht durch eine Leerzeile, sondern nur durch Einrückung der ersten Zeile markiert.
Seel: = Seligen
geil = wild, übermütig, hemmungslos
Englisches Geleide = Geleit durch Engel
Lottes Weib = Lots Weib, eine Frau aus der Bibel
Ein Lied. gegen Jhren Seel: Abschied. PFui / Pfui dich an du schnöde Welt / du trübe Jammer=Schule / ¶ du Störefried / du Kummerfeld / du rechter Satans=Buhle ! fahr hin / fahr hin / ich lasse dich / Gott / mein Erlöser fordert mich. Fahr hin mit deiner stoltzen Pracht / mit deinem geilen Hauffen / wie schwerlich wirstu Gottes Macht / und reiffem Zorn entlauffen / Fahr immer hin / Gott ist bey mir / mein bleiben ist nicht mehr bey dihr. Wer ist / der in dir Ruhe find / der Bässerung verspüret ? Gott Lob / mich / als ein seeligs Kind / die Allmacht Gottes führet / da ich / entbürdet aller Last / sol seyn ein wehrter Himmels=Gast. Drümb schwinge / dringe dich empor / du mein geplagtes Herze ! Auf / auf / gib keinem nicht das Ohr / das Zagen macht und Schmerze ! wirf alles frey auß deinem Sinn / was Welt und eitel ist / dahin. Sieh da / des Jacobs Leiter steht schon Himmelwerts erhoben / das Englische Geleide geht / und bringt die Post vohn droben : Auf / auf / mit uns in schneller Frist / der Zeiger außgelauffen ist. Kein Noht noch Tod erschrecke dich / kein böses lass dir träumen ! da Lottes Weib sah hinter sich / mußt sie die Stette räumen : ¶ drumb gehe frisch und frewdig fort den engen Weg zuhr Himmels=Pfort. Den harten Todes=Kampf tritt an / du meine liebe Seele / geh an die wehrte Himmels=bahn / lass deines Cörpers Höle / der wird gar bald zu seiner Zeit dir nachzufolgen seyn bereit.
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