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Veröffentlicht am 1. April 2019 von lyrikzeitung
Philander von der Linde
(d.i. Johann Burkhard Mencke, * 8. April 1674 in Leipzig; † 1. April 1732 ebenda)
An seine Poesie
ICh habe manchesmahl bekümmert nachgedacht,
Was mich zum erstenmahl ans Reimen hat gebracht,
Und wie sich allgemach mehr Geist und Krafft gefunden,
Wie ich drauff offtermahls den Kern der besten Zeit
Der eitlen Poesie mit grosser Lust geweiht,
Und manchem, welcher mir kaum recht bekandt gewesen,
Ein Blat voll Müh und Schweiß begierig fürgelesen.
Doch wenn ich wiederum die Reime für mir nahm,
So ward ich nach und nach mir gleichsam selber gram,
Und hab offt in dem Zorn, was ich mit Müh geschrieben,
In einem Augenblick zerrissen und zerrieben.
Derhalben hab ich es auf einmahl fest gestellt:
Schreib, edle Poesie, schreib was mir wohlgefällt,
Und bleib nicht wie bisher, an Staub und Erde kleben,
Wo nicht, so sey dir hier dein Scheide Brief gegeben.
Aus: Philanders von der Linde Schertzhaffte Gedichte, Darinnen So wol einige Satyren, als auch Hochzeit- und Schertz-Gedichte, Nebst einer Ausführlichen Vertheidigung Satyrischer Schrifften enthalten. Leipzig: bey Joh. Friedrich Gleditsch und Sohn, 1713, S. 181
Kategorie: Deutsch, DeutschlandSchlagworte: Johann Burkhard Mencke
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