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Veröffentlicht am 17. November 2018 von lyrikzeitung
Ricarda Huch
(* 18. Juli 1864 in Braunschweig; † 17. November 1947 in Schönberg im Taunus, heute Stadtteil von Kronberg)
Affengesang.
Durch das Gitterdach des Urwalds tropfte
Blau der Himmel, bebte von den Aesten;
Drunter saß der alte Affe, klopfte
Cocosnüsse aus, die reifsten, besten.
Kinder, seht, wie grün die Himmelsdecke,
Sprach er, blau und zahlreich auch die Sterne.
Wenn ich dazu süße Nußmilch schlecke,
Lebt man redlich, wacker hier und gerne.
Wenn nur jene höchst verworfne Sippe
Fern uns bleibt, die schlechten Menschenaffen,
Die mit ihrem schlotternden Gerippe
Neidisch lauern, wo sie Schaden schaffen.
Schönen Pelzes Mangel gern sie hehlten
Durch der Kleiderlappen bunt Geglänze.
Ja, wenn ihnen nur die Haare fehlten!
Doch die Lumpe haben nicht mal Schwänze!
Hei, wie klettern wir geschwinden Affen!
Hei, wie knarren unsre Lustgesänge!
Stumm im Sande schlürfen sie, die Schlaffen.
Daß der große Uraff sie verschlänge!
Dieses Gaffen! Dies Gesichterschneiden!
Dieses Lachen, leeres Tongekoller!
Denk‘ ich an den Trotz der frechen Heiden,
Wird mein Busen immer unmuthvoller.
Denn bedenklich mehrt sich das Gezüchte
Seht, sie nahn, die dünkelvollen Tröpfe!
Wär’s nicht schade um die süßen Früchte,
Würf‘ ich sie der Brut an ihre Köpfe!
Aus: Ricarda Huch: Gedichte. Leipzig: H. Haessel, 1894
Kategorie: Deutsch, DeutschlandSchlagworte: Ricarda Huch
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