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Auch in dem Gedichtzyklus Flori de mucegai (1931, Schimmelblumen) griff er auf die Gefängniserfahrung zurück, wobei die lyrische Stimmung wiederum durch kühle Ironie verbrämt war. Mit dem Roman Ochii maicii Domnului (1934, Die Augen Mutter Gottes), in dem er einen romantischen Handlungsrahmen mit religiös-mystischem Inhalt füllte und Elemente des psychologischen Romans verwendete, avancierte er zu einem der renommiertesten Dichter seiner Generation. Populär aber wurde er durch Kindergedichte. Kinderbücher hat Arghezi während seiner ganzen Schriftstellerlaufbahn geschrieben, und sein Gedicht Zdreanţă (Lumpi) über einen schlauen Hund, dem die Herrin abgewöhnt, die frischgelegten Eier zu stehlen und zu fressen, steht seit den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts in den Lesebüchern für Erstklässler. Diese Popularität schützte Arghezi nicht vor politischer Verfolgung durch die deutschfreundliche Regierung während des Zweiten Weltkriegs, und wegen seiner kritischen Pamphlete in Tageszeitungen wurde er zu Zwangsarbeit verurteilt. Nach 1944 wurde er als Nationaldichter gefeiert und fand auch außerhalb Rumäniens Anerkennung als ein Lyriker, der die existentielle Spannung zwischen Gottsuche und Todesbewusstsein zu artikulieren verstand.
Seine Gedichte wurden von namhaften ausländischen Dichtern übersetzt, so von Salvatore Quasimodo ins Italienische und von Anna Achmatowa ins Russische. Arghezi eröffnete der rumänischen Lyrik neue sprachliche Möglichkeiten, indem er Archaismen und Regionalismen mit alltagssprachlichen Ausdrücken zu einer der Moderne angemessenen poetischen Diktion kombinierte. Als ein kanonisches Werk der rumänischen Moderne gilt der Gedichtzyklus Cîntarea omului (1956, Gesang vom Menschen), in dem Arghezi in einem ebenso poetischen wie belehrenden Ton die Entwicklungsgeschichte der Menschheit evoziert und rationalistisches und existentialistisches Gedankengut in Sprachbildern von großer Suggestivkraft formuliert. Trotz eines pathetischen Optimismus sind diese Gedichte Teil einer lyrischen Mythologie, die bis zu dem späten Band Noaptea (1967, Die Nacht) reicht und in der er die Selbsterfindung des Menschen als Rettung vor dem bedrohenden Nichts entworfen hat. / Stefana Sabin, Faustkultur (dort auch ein von Hartmut Köhler übersetztes Gedicht von Tudor Arghezi)
Bibliographie bei Lyrikwiki
Zu Tudor Arghezi in deutscher Übersetzung siehe auch sein Roman-Poem von 1933 „Der Friedhof Mariä Verkündigung“ (Gustav Kiepenheuer Bibliothek, Leipzig, 1986), dann auch unter dem Titel „Der Friedhof“ (Die Andere Bibliothek, Frankfurt a. M.,1992), Übersetzung und Nachworte von Roland Erb.
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