76. Bericht vom Lyrikpreis München

Auszüge aus dem Bericht von der Diskussion am dritten Abend des Lyrikpreises München am 13.12.:

Bettina Hohoff hatte den Eindruck gewonnen, etwas Rätselhaftes solle in Gumz‘ Gedichten bleiben. Sie führte die Wendung „speere (…) / wiegen sich im wind“ an. Àxel Sanjosé meinte, die Sentenzen am Ende der Gedichte seien etwas dick aufgetragen.Dazu ist zu sagen, daß die einen Sachverhalt umreißenden Einzelsätze Gumz‘ schon überaus markant sind, so daß kaum etwas anderes übrig bleibt, als am Ende, wo das Gedicht sich ja steigern soll, nochmal eins draufzusetzen. Doch der Leser urteile anhand von „ich bin du“ selbst: „ich hüpfe im kreis, winke in kameras, die du nicht kennst. // auf meine lider drücken drei arten beobachtung. // unsere zuschauer versuchen zu verstehen, was wir weglassen. // du bist echter als ich, berechnest meine flugbahn. // unter unserem gespräch beziehen die verschwörer stellung. // beleuchter und statisten räuspern sich. das höre ich bis hier. // ich bin du. du siehst es mir an. // du bist nur ein trick meiner linken hand.“ Das Publikum fand Gumz‘ Gedichte wegen ihres metaphysischen Gehalts interessant.

(…)

Anja Kampmanns Gedichte wurden zunächst als „romantische Symphonien“ charakterisiert. Das hat jedoch auch Vorteile: wenn zwischen Sonne und Mond und Weizenfeld ein Wort wie „geißelschwänzchen“ auftaucht, wirkt es zehnmal so speziell wie in einem Text, in dem nur spezielle Wörter vorkommen. Tom Schulz hob „Maribor“ als das beste Gedicht hervor und fügte hinzu: “Wenn wir nur das Beste herausnehmen, können wir das Ganze als etwas sehr Gutes nehmen.“ Dem widersprach Bettina Hohoff insofern, als sie nichts Überflüssiges in den Gedichten habe entdecken können.

(…)

Als letzter Autor des Abends las der 1963 geborene und als Gräzist an der Universität Greifswald arbeitende Dirk Uwe Hansen. Die meisten seiner Gedichte waren nach Orten benannt; doch herausragend war „Libelle“: „Siehst du sie immer nur da / wo sie schon nicht mehr / siehst nicht den Draht der sie zieht den / zieht sie der reißt Blau / pausen auf mit Facetten von Blicken / nie gesehener Bauten Umfriedung. // Zeichen in farbloser Luft von / Sprachen die zu verstehn vor / Zeiten schon zu schwer befunden.“

Hier wird mit Elementen der sapphischen Strophe, mit einem Wechsel von Trochäen und Daktylen, gespielt; am Ende des drittletzten Verses „farbloser Luft von“ handelt es sich höchst passenderweise um einen Adoneus, der mit dem jung gestorbenen Adonis und seinem Abstieg in den Hades verknüpft ist. Tom Schulz sagte, zweifelsohne sei Hansen ein belesener Autor. Man erkenne das am belesenen Ton. Ihm persönlich sei jedoch beispielsweise der Ausdruck „Zeilen alter Gesichter“ im Lissabongedicht zu abstrakt. Àxel Sanjosé gefiel das Gedicht „Schmetterlingsgalerie“, das mit dem angeführten Libellengedicht in einem Atemzug genannt wurde, wegen seiner Farbenexplosion. Jan Kuhlbrodt sprach von dem Wagnis, Gedichte über Libellen und Schmetterlinge zu schreiben. Meinte er damit Naturgedichte insgesamt; oder solche über Kleintiere mit Fühlern, die zugleich mit der Ausbreitung des Handys die deutsche Lyrik zu dominieren begannen? Bettina Hohoff fand Hansens Naturgedichte einfach gut. Sie erkannte in ihnen das Scheitern der Bemühung, sich in ein Tier hineinzuversetzen.

/ Ausführlich mit Text und Bild über diese und weitere Autoren (Konstantin Ames, Eric Giebel, Andra Schwarz) hier

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