Das Archiv der Lyriknachrichten | Seit 2001 | News that stays news
Veröffentlicht am 7. Juli 2013 von lyrikzeitung
In letzter Zeit wird ein Zitat von Robert Walser wiederholt gegen die „akademische“, die „Germanistenlyrik“ in Stellung gebracht. Die irgendwie als Gegenpart der herz- und blutvollen wahren Lyrik erscheint. Als ob Germanisten keine Herzlyrik schrieben. Als ob Walser ihresgleichen sei. Aber dem ist nicht so. Walser, der sein „Blödsein“ gegen die Feinsinnigkeiten Georges oder Rilkes setzt – in diesem Sinne gewiß Avantgarde. (Das ist doch nichts Statuarisches, wie alle Enzensberger nachplappern).
Hier nur aus „Zeit“-Gründen ein sehr kurzes Gedicht, um 1900 entstanden:
Zeit
Ich liege hier, ich hab ja Zeit,
ich sinne hier, ich hab ja Zeit.
Der Tag ist dunkel, er hat Zeit,
mehr Zeit, als ich mir wünsche, Zeit
hab ich zu messen, lange Zeit.
Das Maß wird größer mit der Zeit.
Nur etwas übersteigt die Zeit,
das ist die Sehnsucht, keine Zeit
ist zeitig mit der Sehnsucht Zeit.
Robert Walser: Die Gedichte. Zürich und Frankfurt/Main: Suhrkamp, 1986, S. 31f.
Kategorie: Deutsch, SchweizSchlagworte: L&Poe-Anthologie, Mea: Wortfest, Robert Walser
Kann zu diesem Blog derzeit keine Informationen laden.
Neueste Kommentare