Das Archiv der Lyriknachrichten | Seit 2001 im Netz | News that stays news
Klingende Namen waren es, die am 28. März 2001 die Gedenkfeier für den im Herbst des Vorjahrs verstorbenen walisischen Dichter R. S. Thomas in der Westminster Abbey bestritten. Der irische Nobelpreisträger Seamus Heaney. Andrew Motion, damals britischer Poet Laureate. Der schottische Lyriker und Romancier John Burnside, der in den letzten Jahren auch das hiesige Lesepublikum erobert hat. Und natürlich eine profilierte Stimme aus der Heimatregion des Verstorbenen, die Dichterin und Literaturvermittlerin Gillian Clarke. Ein würdiges Aufgebot für einen der Grossen in der britischen Literaturlandschaft des 20. Jahrhunderts – auch wenn R. S. Thomas sein Leben konsequent fernab der Öffentlichkeit geführt hatte. (…)
In seiner Verurteilung dessen, was er als materialistische, entseelte Moderne sah, konnte Thomas – der keineswegs zur literarischen Selbstinszenierung neigte – auch einmal das Gewand und den apodiktischen Ton des Apostels annehmen: «Und ich, Thomas, sah den Verfall / zum Bösen. Die alten, schlechten Gewohnheiten / wurden neu erlernt. Männer vermieteten ihr / Gewissen; Frauen wurden hart, schrill.» / Angela Schader, NZZ
Romane, so R. S. Thomas in «Sozusagen», seien lediglich «zum Vertagen der Wahrheit», zum Füllen der leeren Seiten, zum allmählichen Ausmalen der einmal entworfenen Figuren gut, während das Gedicht in einem Wimpernschlag alles zu fassen vermag: «Das Buch schliesst, wo die Poesie beginnt.»
R. S. Thomas: In zierlichen Schlingen. Gedichte, englisch/deutsch. Herausgegeben, übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Kevin Perryman. Babel-Verlag, Fuchstal 2012. 84 S., € 24.–. Sonderdruck mit Originalradierung von Vroni Schwegler € 164.
Neueste Kommentare