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Hölderlin ist sicher einer der modernen Autoren, die an wissenschaftlicher ›Überfischung‹ leiden. Zwar begünstigt sein Werk biographisch, editionsgeschichtlich und poet(olog)isch subtil-genaue und sogar übergenaue Analysen, bietet sich für immer andere Perspektivierungen und Revisionen des einmal Erreichten an und fordert stets kontextreichere bzw. dichtere hermeneutische und kulturgeschichtliche Vertiefungen; ähnliches gilt im Raum der weiteren Moderne vielleicht nur (aus ganz unterschiedlichen Gründen) für Goethe, Kafka und Benjamin. Zugleich hat jedoch die Hölderlin-Forschung diese Sachlage noch verschärft, indem sie in einem Überbietungsgestus szientistischer, genieästhetischer, hermeneutischer oder poststrukturalistischer Provenienz ihren Gegenstand zum Vehikel einer scheinbar unendlichen Verkomplizierung von Lektüren gemacht hat, die oft den Eindruck erwecken, hier solle weniger die Größe Hölderlins als vielmehr die des Interpreten sowie der scientific community der Hölderlin-Exegeten aufgezeigt werden. Hölderlins Poetik und Philosophie wiederum verschärfen ihrerseits diesen Umstand noch dadurch, dass sie einzig in skizzenhaften, brüchigen, unsicher entzifferbaren, sprachlich enorm verdichteten, begrifflich dunklen und argumentativ losen Texten vorliegen, die dann auch in völlig entgegengesetzten Traditionslinien – idealistisch oder romantisch, negativitätstheologisch oder hegelianisch etc. etc. – sprechend gemacht werden konnten.
So beginnt mit viel Verve Jan Ulbrichs Rezension von Marion Hillers Spezialuntersuchung ‚Harmonisch entgegengesetzt‘ zu Darstellung und Darstellbarkeit in einigen Werken Hölderlins auf IASL online
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