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Johann Christian Günther
(* 8. April 1695 in Striegau, Fürstentum Schweidnitz; † 15. März 1723 in Jena)
Abschieds-Aria Schweig du doch nur, du Hälfte meiner Brust! Denn was du weinst, ist Blut aus meinem Herzen; Ich taumle so und hab' an nichts mehr Lust Als an der Angst und den getreuen Schmerzen, Womit der Stern, der unsre Liebe trennt, Die Augen brennt. Die Zärtlichkeit der innerlichen Qual Erlaubt mir kaum, ein ganzes Wort zu machen. Was dem geschieht, um welchen Keil und Strahl Bei heißer Luft in weitem Felde krachen, Geschieht auch mir durch dieses Donnerwort: Nun muß ich fort. Ach harter Schluß, der unsre Musen zwingt, Des Fleißes Ruhm in fremder Luft zu gründen, Und der auch mich mit Furcht und Angst umringt! Welch Pflaster kann den tiefen Riß verbinden, Den tiefen Riß, der mich und dich zuletzt In Kummer setzt? Der Abschiedskuß verschließt mein Paradies, Aus welchem mich Zeit und Verhängniß treiben; So viel bisher dein Antlitz Sonnen wies, So mancher Blitz wird jetzt mein Schrecken bleiben. Der Zweifel wacht und spricht von deiner Treu: Sie ist vorbei. Verzeih mir doch den Argwohn gegen dich, Wer brünstig liebt, dem macht die Furcht stets bange. Der Menschen Herz verändert wunderlich, Wer weiß, wie bald mein Geist die Post empfange, Daß die, so mich in Gegenwart geküßt, Entfernt vergißt! Gedenk' einmal, wie schön wir vor gelebt, Und wie geheim wir unsre Lust genossen. Da hat kein Neid der Reizung widerstrebt, Womit du mich an Hals und Brust geschlossen, Da sah uns auch bei selbst erwünschter Ruh Kein Wächter zu. Genug! Ich muß, die Marterglocke schlägt! Hier liegt mein Herz, da nimm es aus dem Munde Und heb' es auf, die Früchte, so es trägt, Sind Ruh' und Trost bei mancher bösen Stunde, Und lies, so oft dein Gram die Leute flieht, Mein Abschiedslied. Wohin ich geh, begleitet mich dein Bild, Kein fremder Zug wird mir den Schatz entreißen; Es macht mich treu und ist ein Hoffnungsschild, Wenn Neid und Noth Verfolgungssteine schmeißen, Bis daß die Hand, die uns hier Dörner flicht, Die Myrten bricht. Erinnre dich zum öftern meiner Huld Und nähre sie mit süßem Angedenken; Du wirst betrübt, dieß ist des Abschieds Schuld, So muß ich dich zum ersten Male kränken, Und fordert mich der erste Gang von hier, So sterb' ich dir. Ich sterbe dir, und soll ein fremder Sand Den oft durch dich ergetzten Leib bedecken, So gönne mir das letzte Liebespfand Und laß ein Kreuz mit dieser Grabschrift stecken: Wo ist ein Mensch der treulich lieben kann? Hier liegt der Mann.
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