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Artur Lundkvist
(* 3. März 1906 in Hagstad, Südschweden; † 11. Dezember 1991 in Solna)
Die Freiheit aus: Elegie für Pablo Neruda Und nun bist du frei wie deine Dichtung, nirgends und überall, nicht länger gebunden an Ort und Zeit, befreit von der Kette der Siege und Niederlagen, und es ist gleichgültig, wo sie dich schließlich begraben oder nicht, ob sie dich der Erde anheimgeben, dem Feuer oder dem Meer, womöglich heimlich, als fürchteten sie deine Auferstehung, du bist frei wie deine endlos schweifende Phantasie, du kannst, der Biene gleich, alle Blumen dieser Erde besuchen oder wie Sturmvogel, Wind und Wolke die irdischen Länder überstreichen, bist und bist nicht in einem blauen Rauchband oder dem jähen Duft einer Balsampappel, im gefallenen Laub, das am Schuh haftet oder im Geäst, wo du wie ein Vogelkönig sitzt in des Pollens goldener Maske, und ob du einer ermatteten Schwalbe gleich auf der Erde ruhst mit abgespreizten Flügeln, bis du umarmt wirst von deinen geliebten Wurzeln und hinabsteigst in dein letztes Heim, wo du sein wirst bei den Quelladern, den Mineralen und Edelsteinen, die träumen und nicht träumen von der Auferstehung in ihren unterirdischen Reichen. Für dich keine Grabmale, keine Steinbilder, statt dessen wird die Erinnerung an dich fortdauern wie rinnendes Wasser, immer in Bewegung, labend, tröstend, so lebst du bereits im Tode, so spricht deine Stimme aus der Stille, leuchtet dein Lächeln aus dem Finstern wie ein erblühter Jasminzweig oder ein Splitter Meereselfenbein, die Natur trauert um dich und leckt ihre Wunden, die Vögel suchen dich klagend, die Wellen fragen dir nach, das Meer wäscht seine unzähligen Hände und spült das Blut zurück auf den Strand, die Menschenmassen wälzen sich ruhelos, gequält im Halbschlaf, gefangen in einem Alptraum, aus dem sie sich nicht zu befreien vermögen, geschlossen in das Labyrinth, das sie unwissend errichteten, die finstren Massen, die du weiter durchstreifen wirst mit deinem Suchlicht von Zorn und unbezähmbarer Freude, mit deiner Kraft, die fortströmen wird wie die unsichtbare Elektrizität, bis Widerstand die weiße Flamme entzündet!
Deutsch von Richard Pietraß. Aus: Schweden heute. Ein Lesebuch. Hrsg. Gisela Kosubek und Anne Storm. Berlin: Volk und Welt, 1983, S. 483f.
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