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Angelus Silesius
(Johannes Scheffler; * 25. Dezember 1624 in Breslau; † 9. Juli 1677 ebenda)
Aus: Das Jüngste Gericht »Der Tag des Herrn wird kommen wie ein Dieb in der Nacht, in welchem die Himmel mit Krachen vergehen werden; die Elemente aber werden für Hitze zerschmelzen und die Erde und die Werke, die in ihr sind, werden verbrennen.« Petr. 3, 10 1 Herbei, herbei, der Tag bricht an, Der Tag voll Furcht und Schrecken, Der Tag, der alles auf die Bahn Wird bringen und entdecken. Der Tag des Grimms, der Tag des Zorns, Der Tag der ernsten Rache, Der Tag des Stachels und des Dorns, Der ungerechten Sache. 2 Ihr Fürsten, Kaiser, Könige, Ihr Herrn und Potentaten, Ihr Päpst und hohe Geistliche, Ihr Bischöf und Prälaten, Ihr Richter alle kommt herbei, Ihr müßt euch all gestellen! Man wird das Urteil rund und frei Auch über euch nun fällen. 3 O schwere Zeit, o strenger Tag, Die Erde, die erbebet! Kein Fels ist, der bestehen mag, Der größte Berg zerklebet. Das Meer, das schaumt und schwellt sich auf Und macht ein Mordgebrülle, Die Ströme lassen ab vom Lauf, Stehn vor Erstaunen stille. 4 Die Winde sausen unerhört Mit grausamem Gestürme, Es werden alle Grüft erböhrt, Es stirbt auch das Gewürme. Das Vieh rennt unbesonnen her, Das Wild lauft aus den Löchern, Die Vögel werden matt und schwer Und fallen von den Dächern. 5 Des Mondes silbern Angesicht Wird blutrot vor Erschrecken. Die Sonn verblaßt, ihr Thron zerbricht, Ihr Viergespann bleibt stecken, Die Sterne sieht man allzumal In ängstlichen Gebärden, O weh, sie falln in großer Zahl Herunter auf die Erden. 6 Das wunderschön gefärbte Tuch Ums himmlische Gewölbe Kriegt hin und wieder einen Bruch, Wird runzlig, schwarz und gelbe. Der Morgenröte goldnes Kleid Ist ganz und gar zerrissen, All Anmut, alle Zier der Zeit Ist hin und ist zerschlissen. (...)
Aus: Sinnliche Beschreibung Der Vier Letzten Dinge. (1675) Mehr
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