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Die Weltliteratur und so auch die deutsche sind voll von Schmähgedichten – auf Rivalen, Feinde, Schulen oder gleich ganze Epochen. Man muss es nicht immer aussprechen, man LOBT damit zugleich die eigene Schule, Richtung oder peer group. Johann Ulrich König – Hand aufs Herz, wer hat den Namen parat? Er galt als deutscher Horaz, ach nein, nur als sächsischer. Honorige Zeitgenossen lobten ihn: loben und gelobt werden. Wie auch immer, im heutigen Gedicht tadelt er die Dichtung der vorigen Generation und lobt die eigene.
Johann Ulrich König
(* 8. Oktober 1688 in Esslingen; † 14. März 1744 in Dresden)
Uber das Kupffer-Bild vor dem Ersten Theile der Besserischen Schrifften. [siehe unten] Die teutsche Dicht-Kunst war veracht, Sie suchte sich zu bunt zu kleiden; Bey Hofe sah sie sich verlacht, Denn der kan keinen Schulschmuck leiden. Sie war nur auf den Schein bedacht, Und was den Opitz groß gemacht, Begunt’ ihr falscher Witz zu meiden. Doch der Geschmack nebst der Natur Fieng an, sie edler auszuzieren, Und sicher auf der Alten Spur Nach Hofe wieder hinzuführen; Wo sie, befreyt von Schminck und Tand, Durch Bessers Schreib-Art Beyfall fand.
Aus: Deutsche Lyrik von den Anfängen bis zur Gegenwart in 10 Bänden. Hrsg. Walther Killy. Bd. 5: 1700-1770. München: dtv, 2001, S. 120
Johann von Besser war sein Gönner und Chef. Im 18. / 19. Jahrhundert wurden dann mit den von König geschmähten Barockpoeten auch die höfischen Dichter wie Besser und König in den Orkus geworfen. Heute können wir gelassener sein und regen uns nur auf, wenn unsere eigene peer group angegriffen wird.
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