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Volkslieder der Kurden
II. Liebeslied
Es ist dein Wuchs dem Alef* gleich,
Die Brust an schwarzen Flecken** reich,
Wohl an dreihundert zähl’ ich!
Es soll die Brust mein Heil’genschrein,
Soll Kirche mir und Kloster sein,
Kein andres Bethaus*** wähl’ ich!
Mag Erzerum zu Grunde geh’n,
Darf ich zu deinem Munde geh’n,
So bin ich überselig!
Deutsch von Friedrich Bodenstedt
* Alef, der Anfangsbuchstabe des arabischen Alphabets, wird häufig von den Dichtern des Morgenlandes gebraucht, um den schlanken Wuchs eines Mädchens zu bezeichnen.
** Schwarze Flecke gelten als eine Hauptzierde der Frauen im Orient. Diejenigen, welche von der Natur nicht mit dieser Zierde bedacht sind, suchen auf künstliche Weise solche Schönheitsflecke zu erzeugen, indem sie Stirn, Wangen, Kinn, Hals und Brust mit Nadeln durchstechen, und dann eine dunkle Tinktur hineintröpfeln.
*** Bekanntlich beten die Kurden, welche großentheils zu den Yesiden oder Teufelsverehrern gehören, gar nicht zu Gott, nach dem Grundsatze, der gute Geist werde ihnen ohnehin nichts zu Leide thun.
Aus: Jolowicz, Heimann [Hrsg.]: Der poetische Orient enthaltend die vorzüglichsten Dichtungen der Afghanen, Araber, Armenier, Chinesen, Hebräer (Althebräer, Agadisten, Neuhebräer), Javanesen, Inder, Kalmücken, Kurden, Madagassen, Malayen, Mongolen, Perser, Syrer, Tartaren, Tscherkessen, Türken, Yeziden etc. In metrischen Übersetzungen deutscher Dichter mit Einleitungen und Anmerkungen von Dr. H(eimann) Jolowicz. 2. veränd. Aufl. Leipzig: Otto Wigand, 1856, S. 627
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