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Leseecke ist eine Rubrik, die sich der Veröffentlichung aller 154 Sonette Shakespeares in Günter Plessows Übersetzung und dem Originaltext (bei Signaturen) anschließt und hier Leseecke und Forum zur Diskussion über die Sonette und / oder Übersetzungen sein kann. Jedenfalls ich werde an 154 Tagen (mit Zwischenraum, um durchzuschaun) mir jeweils eins der Sonette vornehmen und hier den Originaltext und zusätzliches Material anbieten. Einladung zum Pendeln von Shakespeare zu Plessow und zurück (wenns sein muß auf Umwegen über Schlegel/Tieck, Bodenstedt, George, Kraus & Co). (Die Zahl neben dem Wort Leseecke ist die Nummer des Shakespearesonetts).
Sonette 8-14 bei Signaturen hier
Bisherige Folgen der Leseecke hier.
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IS it for feare to wet a widdowes eye, That thou consum'st thy selfe in single life? Ah; if thou issulesse shalt hap to die, The world will waile thee like a makelesse wife, The world wilbe thy widdow and still weepe, That thou no forme of thee hast left behind, When euery priuat widdow well may keepe, By childrens eyes, her husbands shape in minde: Looke what an vnthrift in the world doth spend Shifts but his place, for still the world inioyes it But beauties waste hath in the world an end, And kept vnvsde the vser so destroyes it: No loue toward others in that bosome sits That on himselfe such murdrous shame commits.
Einige Anmerkungen zum Text:
3 issulesse kinderlos if thou shalt hap wenn es dir passieren sollte
4 makelesse a) unvergleichlich b) alleinstehend
5 wilbe will be
7 priuat private (von lat. privus = einzeln, individuell)
8 by by means of
9 vnthrift Verschwender
12 vnvsde unused (auch: nicht investiert; der user ist mit usury verwandt!) der user, der die Schönheit nicht einsetzt / investiert / verschwendet, zerstört sie
14 murdrous shame wieder mit Anspielung auf Selbstliebe, Masturbation
(Eine deutsche Entsprechung wird nachgereicht)
Hier „meine“ Version. Ich habe sie, einen Vorschlag von Felix Philipp Ingold aufgreifend, reimlos aber metrisch kompiliert aus: Dorothea Tieck, Stefan George, Max Wolff, Ludwig Fulda und Günter Plessow. Ich habe nur die Großschreibung vereinheitlicht. Verständlicher als die „ganze“ Übersetzung von Karl Kraus ist sie allemal. (Der unreine Reim 12/14 war nicht geplant, aber akzeptiert als Markierung des Gedichtschlusses.)
Verweinte Witwenaugen fürchtest du,
Wenn einzeln du verzehrest deinen Leib?
O! wirst Du kinderlos zur Grube fahren
So wär die Welt das Weib, das um dich klagt.
Die ganze Welt als Witwe weint um dich,
Dass nach dir keine Form mehr auf dich weist ·
Da andre Wittwen täglich tröstend sehn
Des Gatten Bild bewahrt in ihren Kindern!
Sieh, was auf Erden Leichtsinn auch vertut,
Tauscht nur den Platz, bringt stets der Welt Gewinn;
Doch hat der Schönheit Nutzung hier ein Ende:
Denn der sie nicht genutzt, hat sie zerstört.
Nicht Nächstenliebe wohnt im Herzen dessen,
Der mit sich selbst so mörderisch verfährt.
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