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Ist eine Papierhülle schon Lyrik? Mit Flarf Disco tastet Hartmut Abendschein die Synergien zwischen moderner Lyrik und Popsong neu aus. Alle zwei Monate erscheint das Popkultur-Magazin Spex mit einer CD als Zugabe. Ausgehend von den Musiktiteln auf der Papierhülle arrangiert der Lyrikband 60 Popgedichte in sechs Zyklen.
Flarf ist Googles Werk und Autors Beitrag, wie einmal die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ titelte. Man gebe zwei Begriffe in die Google-Suche ein, wähle einige Ergebnisse aus und forme sie zu Gedichten. Diese werden wiederum über Websites und Mailinglisten verbreitet und neuverwertet. Das ist das Grundkonzept des Flarf-Kollektivs rund um die New Yorker Gary Sullivan, Sharon Messmer und K. Silem Mohammad. In Anschluss an einen Wettbewerb hat sich Flarf Anfang des neuen Jahrtausends in den Vereinigten Staaten, mehr noch als in Deutschland, als Bewegung etabliert. Ein Beispiel: Aus den Suchbegriffen „Michael Jackson“ und „Latex“ wird bei Sharon Messmer „What in the latex-rainbow-Monistat hell / is that big-haired pensioner doing / wriggling around to ‚Don‘t Stop Till Get Enough‘ / in a skin-tight latex leotard?“ Irritiert fragt sich das frisch ergoogelte Ich, weshalb der Rentner im Latex-Anzug zu Jacksons Disco-Funk-Song tanzt. Zwar steht Flarf in der Spannung aus technischem Know-how und kreativem Prozess, doch würde man es sich zu einfach machen, Flarf als Algorithmen-Lyrik abzutun. Flarf ist ein Konzept – teils aleatorisches Spiel und teils komponierendes Prinzip – ähnlich wie der Remix in der Musik. / Julian Gärtner, literaturkritik.de
Hartmut Abendschein: Flarf Disco. Popgedichte.
edition taberna kritika, Bern 2015.
92 Seiten, 14,00 EUR.
ISBN-13: 9783905846348
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