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Neues bei Lyrikwiki. Das Projekt speist sich momentan hauptsächlich aus zwei Quellen – aus Studentenarbeiten zusammengestellten Bibliographien (in jüngster Zeit u.a. Oskar Pastior, Richard Pietraß, Kurt Tucholsky, Guillaume Apollinaire) und Exzerpten meiner Lektüre, wie dies:
Die letzte Epoche des klassischen Japan und eine Blütezeit der japanischen Kultur, etwa 400 Jahre vom Beginn des 9. bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts (794–1185, auch 794–1192 oder wie bei Ooka Makoto bis Anfang des 13. Jahrhunderts). Benannt nach der damaligen Hauptstadt Heian-kyō (heute Kyoto). Heian (平安) bedeutet im Japanischen Frieden. Während das Kaiserhaus die Macht repräsentierte, übte der Fujiwaraclan, der sich vielfach ins Kaiserhaus einheiratete, die eigentliche Macht aus. In diese Zeit fällt auch der Aufstieg der Samurai. Kulturell ist die Zeit von einer Tendenz nach innen, aber auch von starkem koreanischen Einfluß geprägt (Buddhismus, Taoismus u.a.).
In dieser Zeit emanzipiert sich Japan vom Einfluß der chinesischen Kultur. Bedeutende Dichter sind Sugawara no Michizane, Ki no Tsurayuki und Izumi Shikibu. Die Entwicklung der japanischen Kultur in dieser Zeit ist eng mit der Entwicklung der Sprache und Schrift verbunden. Während Sugawara no Michizane noch ausschließlich das Kanbun pflegte – eine Gelehrtensprache, vergleichbar dem Latein im mittelalterlichen Europa, die „mit dem gesprochenen Japanisch nicht den geringsten Zusammenhang hat“ [1] und die mit chinesischen Schriftzeichen aufgeschrieben wurde, entwickelten sich aus den – nur von den Männern gebrauchten – chinesischen Ideogrammen neue vereinfachte Zeichen, die Kana, die auch von Frauen benutzt wurden. [2] Die Kana unterteilen sich in zwei Schriftsysteme, Hiragana und Katakana, wobei das erstere zunächst von Frauen und das zweite von Männern gebraucht wurde. Sie entstanden durch extreme Vereinfachung der chinesischen Schriftzeichen, vor allem aber sind es nun reine Silbenzeichen. Dadurch wird es möglich, die gesprochene Sprache aufzuzeichnen, und das hat Auswirkungen auf den Gattungscharakter der Literatur. An die Stelle der Kanshi, Gedichte in chinesischem Stil und streng den chinesischen Normen verpflichtet, treten die Waka, Gedichte in rein japanischem Stil, die laut vorgelesen und in der Silbenschrift Hiragana notiert wurden. Diese Gedichtform herrschte in der japanischen Lyrik fast ein Jahrtausend bis zur Modernisierung im 19. Jahrhundert vor und ist bis heute in modernisierter Form als Tanka und Haiku verbreitet. „Die zwei Silbenschriften führten in der Heian-Literatur zum Aufblühen eines goldenen Zeitalters.“ [3]
Mit der Silbenschrift und den Waka eng verbunden ist der Aufstieg der Frauen zu einer die Kultur prägenden Rolle. Während die Männer für eine Beamtenlaufbahn die chinesische Sprache und Schrift beherrschen mußten, waren den Frauen die bis dahin die mündlich verbreiteten Waka zugänglich, die nun aufgezeichnet wurden. Innerhalb des Regenten- und Großkanzlersystems spielten zahlreiche Nebenfrauen und Hofdamen eine bedeutende Rolle, die durch die neue Silbenschrift auch auf die Kultur übergriff. Der Kaiser Uda (867 – 931, Kaiser von 887 – 897) und sein Sohn Daigo (885 – 930, Kaiser von 897 – 930) waren Wegbereiter dieser kulturellen Neuorientierung. [4] S. 41 Uda hatte offiziell 14 Nebenfrauen, die aus vornehmen Familien stammten, viele aus dem Fujiwaraclan. Mindestens 3 von ihnen waren Dichterinnen, darunter Ise (875/7 – ca. 939). Uda schätzte und protegierte den Dichter Sugawara no Michizane als Kanshi-Dichter und Konfuziusspezialisten, aber er war auch ein Liebhaber der japanischen Wakadichtung. Weil die kaiserlichen Frauen hohen Rang hatten, verbreiteten sich von ihnen gepflegte kulturelle Werte wie die Wakadichtung und sogar die zunächst als „Frauenhand“ bezeichnete Silbenschrift Hiragana, die auch von Männern erlernt wurde. Galt zuvor die Wakadichtung als bloß privates Mittel zum Austausch von Liebesgeständnissen [5], rückte sie plötzlich ins Zentrum der japanischen Kultur. Der Kaiser selbst beauftragte den Dichter Ki no Tsurayuki und drei Adlige niederen Ranges mit der Zusammenstellung der ersten Wakaanthologie, Kokin Wakashū (Sammlung alter und neuer Waka), die um das Jahr 905 abgeschlossen wurde. Darin drückt sich auch ein „Wandel einer von der hohen Aristokratie getragenen Kultur zu einer aus dem mittleren Adelsstand gewachsenen Kultur“ [6] aus.
„Das Besondere dieser Epoche liegt darin, daß die literarische Kreativität von Frauen das Goldene Zeitalter begründet.“ [7] Berühmte Autorinnen sind Izumi Shikibu (Lyrik) und Murasaki Shikibu und Sei Shōnagon (Prosa). Diese Frauen lebten zwischen Ende des 10. und Anfang des 11. Jahrhunderts als Hofdamen im kaiserlichen Palast. Ihre Werke werden bis heute gelesen und wurden in Fremdsprachen übersetzt. Allerdings können nur wenige Japaner sie heute in der Originalgestalt lesen, sie müssen in modernes Japanisch übersetzt werden, weil sich die Schriftsprache besonders im 19. Jahrhundert (Phase der Modernisierung während der Meiji-Zeit) radikal vereinfacht hat. [8]
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