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Der amerikanisch-russische Schriftsteller Eugene Ostashevsky sprach mit Joachim Scholl beim DLR u.a. über die Situation in der Ukraine:
Was jetzt die Frage anbetrifft, ob die Krim zur Ukraine gehört, oder ob die Krim zu Russland gehört, ob die Donbass-Region zu Russland gehört oder zur Ukraine gehört, finde ich, das sollten wirklich die Menschen vor Ort entscheiden. Sie sollten es allerdings ohne militärisches Eingreifen entscheiden, und mir erschien das Referendum auf der Krim nicht sehr legitim zu sein, weil es auch unter militärischer Präsenz stattfand.
Nun muss man gleichzeitig natürlich sagen, dass die Russische Föderation 1994 die Integrität der ukrainischen Grenzen in einem Vertrag eigentlich anerkannt hat. Das ist ebenso trivial wie es jetzt auch eine sehr ernsthafte Geschichte wird. Die Ukraine gab damals ihre Atomwaffen auf, im Gegenzug garantierte Russland allerdings die territoriale Einheit der Ukraine. Und jetzt kommen wir zu einem politischen Punkt, der dann irgendwie sehr verstörend ist.
Für mich persönlich spielt aber auch noch etwas ganz anderes eine Rolle, und zwar viel mehr etwas, was die Innenpolitik Russlands betrifft als was die Außenpolitik Russlands betrifft. Seit der Wiederwahl von Putin findet ein politischer Diskurs in Russland statt, dass die Schrauben fester angezogen werden. Man kann fast von einer Faschistoisierung des Landes sprechen und das Land reagiert unglaublich paranoid und vor allen Dingen die Medien, zumindest alle Massenmedien und populären Medien, werden manipuliert, werden kontrolliert und Putin hat sich so eine sehr willfährige Bevölkerung geschaffen.
Was die Ereignisse des Maidan in der Ukraine, in Kiew anbetrifft, so hat es eine hysterische Reaktion gegeben, und diese hysterische Reaktion ist das Resultat einer Manipulation. Und diese nationale Hysterie, die jetzt ausgebrochen ist in Russland, hat etwas sehr Altmodisches, etwas sehr Unschönes, was mich fast an Zeiten vor dem Zweiten Weltkrieg erinnert, zumindest jedoch an Zeiten vor 1989, und das finde ich sehr beunruhigend und das beängstigt mich auch.
Seine Gedichte sind in deutscher Übersetzung im SuKuLTuR Verlag erschienen. „Auf tritt Morris Imposternak, verfolgt von Ironien“ heißt der Band, und die Literatur von Eugene Ostashevsky wird in der nächsten Woche hier im „Radiofeuilleton“ im Mittelpunkt stehen, wenn wir den Autor in unserer Reihe „Profil“ noch mal gesondert vorstellen, hier im „Radiofeuilleton“ heute in einer Woche, am kommenden Dienstag.
Eugene Ostashevsky
Auf tritt Morris Imposternak, verfolgt von Ironien
Aus dem Amerikanischen von Uljana Wolf
Schöner Lesen 94
Veröffentlicht im Mai 2010
ISBN: 978-3-941592-13-1
Preis: 1,00 €
DLR setzt unter seine Gespräche diesen Disclaimer:
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Okay, das wollen wir auch annehmen, ja hoffen; denn sonst brauchten wir nur noch mit uns selber zu sprechen. Andererseits, warum sollten wir uns Standpunkte anderer Menschen nicht zu eigen machen, wenn sie einleuchten oder wenigstens prägnant formuliert sind? Seit wann entscheiden Rechtsberater über unsere Meinungen? Nur mal gefragt.
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